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In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)

In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer kalten Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caro Ramsay
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Sie erkannte Tony Abbott, der vor Hazbeanz stand, die Arme verschränkte, an der Wand lehnte und, eine Zigarette im Mundwinkel, darauf wartete, dass seine kleine Prudenza vorbeigehen und ihn nicht bemerken würde. Das Gesicht zeigte Falten, die ein sorgenvolles Leben hinterlassen hatte, und Quinn wusste inzwischen, worüber er sich die ganze Zeit Sorgen gemacht hatte.
    Die dritte Fotografie zeigte eine Frau. Das Bild war nicht so scharf und sah älter aus als die übrigen drei. Haarschnitt und Schmuck deuteten auf die Siebziger hin. War das die Mutter? Der Hintergrund war nicht sehr scharf, dennoch erkannte man Bäume und ein Gewässer. Beim vierten wusste sie sofort, wer es war: blondes Stachelhaar und das spitze Gesicht eines Kobolds, eines Wechselbalgs, der in einem Betontreppenhaus sitzt, die Knie ans Kinn gezogen hat und eine Tasse Tee in der Hand hält.
    Quinn seufzte. »Die arme Costello muss ja mit einigem fertigwerden. Mir wäre es lieb, wenn sie zuerst ihre Kopfwunde auskurieren kann, ehe sie sich mit diesen Sachen befasst. Gott weiß, worauf sie dabei sonst noch stößt.«
    »Sie wird früher oder später alles erfahren müssen. Und sie ist zäh.«
    »Trotzdem«, entgegnete Quinn. »Harry hat aus reiner Lust getötet und sich seine Komplizen herangezogen. Langsam setzt sich das ganze Bild zusammen, aber es geht ja schon Jahre so. Stellen Sie sich vor, wie er immer im gleichen Hotel abgestiegen ist, wenn er in Edinburgh war, und dort mit Wood, dem Nachtportier, geschwatzt hat. ›Ich bin hier fremd, hätten Sie nicht Lust auf einen Drink?‹, um ihn zu umgarnen. Und vorher schon in Dundee mit dem Taxifahrer Pfeffer. Jedes Mal, wenn er nach Dundee kam … ›Könnten Sie mir vielleicht mit der Ausrüstung helfen. Ich brauchte da einen Assistenten.‹ Stellen Sie sich vor, wie diese Verlierer von dem Alphatier Castiglia beeindruckt gewesen sein müssen. Er hat sie hypnotisiert wie Kaninchen. Und andere auch, überall in ganz Schottland. Aber die ganze Zeit hatte er sich nur zu seiner kleinen Schwester vorgearbeitet. Und die letzten Morde hat er nur begangen, um auf perverse Weise seiner Schwester zu imponieren. Das bekommt man nicht so leicht in den Kopf.«
    »Er war ein Killer. Sie ist Polizistin«, sagte Batten. »Und die beste Bestätigung konnte er sich bei Costello holen, seiner Schwester, die so viel erreicht hatte. Sie sollte zugeben, dass er sie in ihrem Spiel geschlagen hat und zu clever für sie war.«
    »Nun, war er wohl nicht, oder?«
    »Oh, ich glaube doch«, sagte Batten und schloss die Schlafzimmertür, während sie in Harry Castiglias Wohnzimmer weitergingen. Fast eine ganze Wand wurde von einem Regal eingenommen, und dort reihten sich Brett auf Brett gleichfarbige graue Aktenboxen auf, die alle fein säuberlich beschriftet waren. Nur eine schwarze Box war ohne Aufschrift. Batten nahm sie aus dem Regal und öffnete sie. Sie enthielt große glänzende Schwarzweißfotos, die Batten wortlos auf dem Schreibtisch ausbreitete. Quinn schlug beide Hände vor den Mund, als würde ihr übel werden.
    »Oh – mein – Gott«, entfuhr es ihr.
    Es klopfte zögerlich an der Tür des Untersuchungsraums. Colin Anderson stand vorsichtig auf, um zu öffnen. Irgendwie waren eine brandneue Jeans, ein Sweatshirt und eine Jacke wie aus dem Nichts aufgetaucht. Jetzt brauchte er nur noch Schuhe, dann könnte er gehen. Seine rechte Hand fühlte sich taub an, als er versuchte, den Türgriff zu packen. Der Arzt hatte ihm gesagt, er sollte froh sein über die Taubheit – wenn das Gefühl zurückkäme, würde es höllisch zu schmerzen beginnen.
    Es war Brenda, die eine Plastiktüte mit seinen Schuhen hielt.
    »Wie geht es dir?«, fragte sie nervös.
    »Langsam wird mir wieder warm, und das Gefühl kehrt zurück.« Er krümmte die Finger und winkte sie herein. »Ich kann sie alle bewegen. Und wie geht es dir?«
    Sie antwortete nicht, stand nur hilflos da, als wolle sie am liebsten weinen.
    »Wie geht es den Kindern?«, fragte er.
    »Kommst du nach Hause?«
    »Ist das eine Einladung?«
    »Du hättest draufgehen können, Colin!«
    »Ach, so schlimm war es auch wieder nicht.« Er tätschelte sie unbeholfen mit seiner gesunden Hand. »Ich bin ja noch da.«
    »Aber du brauchst Hilfe, und die Kinder vermissen dich. Als sie angerufen und mir gesagt haben, dass du hier bist, habe ich ans Schlimmste gedacht.«
    Sie hatte eine Träne im Auge.
    »Es verändert zwar nichts, trotzdem brauchst du jemanden, der für dich sorgt. Warum

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