In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
desto länger würde es dauern, bis er auch nur daran denken durfte, ein wenig zu schlafen. Also wuchtete er sich hoch und wollte sich verabschieden. »Könnten Sie mir noch sagen, wann Sie Itsy zum letzten Mal gesehen haben?«, fragte er, als hätte er gerade erst daran gedacht.
Diane überlegte. »Oh, ich glaube, das war gegen halb sechs, vielleicht ein wenig früher. Sie hatte ihren warmen Mantel angezogen und wollte gerade rausgehen. Rüber zum Torhaus, ganz bestimmt, um Tony und Bobby zu überreden, sie zum Barochan Moss zu fahren.«
»Danke, Sie waren eine große Hilfe«, sagte Anderson. »Ich müsste noch eine Reihe Telefonate erledigen. Könnten Sie DC Browne bitten, zu mir in den Wagen zu kommen, wenn sie fertig ist?«
»Aber natürlich«, flötete Diane.
Anderson verließ das Haus allein und ging die Einfahrt entlang zu Quinns Wagen, von dem er gerade so die Umrisse im Nebel erkennen konnte. Die eisige Kälte in seiner Lunge erweckte ihn zum Leben. Und er verstand plötzlich, warum Itsy Räder schlagen wollte: Dieses Haus hatte etwas Bedrückendes an sich, etwas Hemmendes. Vielleicht lag es an den hohen Stuckdecken und den hübschen Teppichen, aber eigentlich hatte dieser Ort einfach keine Seele.
Er zog seinen Anorak bis zum Kragen hoch und zitterte ein wenig. Auf dem Weg zum Wagen überlegte er, wie er die zehn Meilen zum Barochan Moss am schnellsten schaffen konnte – durch den Clyde-Tunnel und dann über die Autobahn? –, und fragte sich, wie Itsy es bloß ganz allein dort hinausgeschafft hatte. Er drückte den Knopf von Quinns Wagenschlüssel und zögerte. Bewegte sich da ein Tier im Unterholz, oder war das nur ein seltsamer Wirbel im Nebel? Er langte nach dem Türgriff und erschrak, als seine Hand von einer fremden gepackt wurde.
Costello hielt DCI Quinn auf dem Gang an und führte sie am Ellbogen vom Wartezimmer fort, in dem Castiglia wartete. »Muss ich mich wirklich mit ihm rumschlagen?«
»Mit wem?«
»Mit diesem dummen Harry Castiglia.«
Quinn stellte sich auf die Zehenspitzen und beäugte ihn durch die Glasscheibe. Er hatte ihnen den Rücken zugewandt und kramte in seiner Tasche.
»Ist er das?«
Er drehte sich um und lächelte lässig.
»Na, die meisten Frauen würden ihn wohl nicht von der Bettkante stoßen. Macht er Ihnen Probleme?«
»Nein, überhaupt nicht. Aber Mulholland steht in Verbindung mit dem Chief und hat angedeutet, dies könnte ein guter Fall sein, um zu …«
»Das hat Mulholland gesagt?«, fragte Quinn leise. Zu leise.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich wusste nicht, ob das von Ihnen kam.«
»Nein, sicherlich nicht. Man hat mir von ihm erzählt, mehr aber nicht. Um DS Mulholland kümmere ich mich später. Aber Mr. Castiglia hat Ihnen bislang keine Probleme gemacht?«
»Eigentlich nicht. Im Gegenteil, er war sogar nett. Hat mir einen Becher Tee mitgebracht. Mir gefällt nur die Vorstellung nicht, ständig beobachtet zu werden.«
»Geben Sie ihm eine Stunde, dann haben Sie vergessen, dass er überhaupt da ist. Denken Sie nur daran, dass er seine Arbeit hervorragend macht und in dem Ruf steht, integer zu sein, um ein altmodisches Wort zu verwenden. Ich habe schon Arbeiten von ihm gesehen: hart, aber ehrlich. Er wird alles zeigen wollen, wie es ist. Die kalte Linse der Kamera kann doch nicht lügen, oder? Er wird uns in einem guten Licht darstellen, und das wird dem Gerede über unser Revier und unsere winzige Einheit ein für alle Mal den Wind aus den Segeln nehmen. Mir gefällt die Vorstellung genauso wenig wie Ihnen, aber besser, er ist mit im Boot und pisst nach draußen als draußen und pisst herein. Erledigen Sie also Ihre Arbeit und lassen Sie ihn seine tun. Das Einzige, was mich nervt, ist Marita Kennedy und die Art von Medienaufmerksamkeit, die sie auf sich lenkt. Ich sehe schon, wie wir versuchen, die Sache unter Verschluss zu halten, während sie überall Fototermine veranstaltet.«
»Wie geht es ihr – Marita?«
»Sie ist vollkommen fertig, scheint es. Um ehrlich zu sein, habe ich allerdings das Gefühl, dass sich Iain mehr Sorgen macht. Er ist wohl der Verantwortlichere der beiden. Itsy Bitsy nennen die beiden sie, unschuldig, niedlich und nicht sehr helle. Sie zu verlieren muss so sein, als würde man einen kleinen Hund verlieren. Sie ist noch im OP , und ich glaube, es sieht nicht gut aus.«
»Haben wir schon mehr über die Geschichte erfahren?«
»Anderson ist mit Browne gegenwärtig in Strathearn House. Offensichtlich wurde Itsys
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