In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
Das Gewächshaus hatte zwei Türen – eine, durch die man direkt vom Garten hereinkam, und eine zweite mit zwei Flügeln, die eher an eine Garagentür erinnerte. Reifenspuren und gelegentlich ein Ölfleck verunzierten den Beton und ließen vermuten, dass hier regelmäßig geparkt wurde. Sie fragte sich, ob es der kleine weiße Lieferwagen war, der am Rand des Pfades stand. Littlewood war stehen geblieben, um ihn sich anzuschauen. Na ja, er war stehen geblieben, um eine Zigarette zu rauchen und durchzuatmen. Er hatte sich auf das Dach des Wagens gelehnt. Browne hatte sich entschlossen, nicht in der Kälte zu warten, und war ins warme Gewächshaus vorausgegangen.
Sie leuchtete mit der Lampe hinauf ins Dach und versuchte, sich wie ein Detective zu benehmen, und sah sich nach Überwachungskameras oder Sicherheitsleuchten um. Nichts. Sie wischte das Glas mit ihrem Ärmel sauber und spähte hinaus in die Einfahrt, die nicht gepflegt war und einen Mittelstreifen aus Gras hatte. Dies war nicht die mondäne Einfahrt, auf der sie hereingekommen waren, sondern eine Art Hintereingang, der vermutlich zu einer der Straßen mit den alten Wirtschaftsgebäuden führte. Konnte der Lieferwagen hier ungesehen ein und aus fahren? Ohne registriert zu werden? Browne schrieb es in ihr Notizbuch.
In der Mitte der Glaswand gab es einen Arbeitstisch, der von zwei Strahlern beleuchtet werden konnte. Er war mit Tabletts voller Sämlinge vollgestellt, von denen keiner größer als fünf Zentimeter war, kleine, empfindliche, verwundbare Pflänzchen. Verwundbar – warum war ihr das Wort in den Sinn gekommen? Sie zitterte und schüttelte sich. Dabei stieß sie mit dem Fuß gegen etwas. Es war Littlewoods Coro-Nitro-Spray, das für das Herz. Er musste auf dem Weg nach Strathearn hier entlanggegangen sein. Sie nahm das Spray und steckte es in ihre Tasche.
Dann hörte sie ein Geräusch, ein leises Rascheln, das aufhörte, kaum dass es begonnen hatte.
Sie erstarrte und drehte sich um.
Marita setzte wieder ihr Heiligengesicht auf. »Wenn ich in irgendeiner Form für den Zustand verantwortlich bin, in dem sie sich jetzt befindet …« Ihre Stimme wurde von Theatralik getragen. »Ich muss alles tun, was in meiner Macht steht, um denjenigen zu finden, der für dies verantwortlich ist, für sie und ebenso für mich. Einmal ist er gescheitert, aber beim nächsten Mal ist er vielleicht erfolgreicher. Ich habe Angst, in den Nebel zu gehen, wissen Sie. Ich fühle mich beobachtet. Ganz bestimmt ist jemand dort draußen. Sie wissen, dass man mir schrecklich entstellte Fotos von mir geschickt hat? Aber davon lasse ich mich nicht aufhalten. Ich kann es mit meinem Fernsehaufruf in alle Zeitungen des Landes schaffen und in jede Nachrichtensendung. Mein Gesicht wird dafür sorgen, dass Itsy von der Presse nicht vergessen wird. Wussten Sie, dass viele Journalisten meinen Agenten angesprochen haben? Einer von ihnen wird einen großen Artikel schreiben. Darüber, wie sehr ich mich um die geliebte Schwester sorge.« Marita wandte sich wieder dem Spiegel zu und beendete die Arbeit an ihrem Gesicht. Sie wusste, wie sie für die Kamera am besten aussah – im schwachen Licht der Personaltoilette in der Intensivstation wirkte ihr Anblick jedoch eher wie eine schlechte Malerei auf alter Leinwand.
Je mehr Costello über Marita erfuhr, desto mehr wunderte sie sich über den Tatort. Marita Kennedy in eine Designerboutique zu folgen hätte sie ja noch verstanden, aber ins Barochan Moss? Wer würde schon glauben, Marita könne es jemals dorthin verschlagen? Warum sollte sie auch dorthin gehen? Nein, das war ihr einfach komplett unverständlich. Marita war ganz und gar mit ihrem Äußeren beschäftigt, also packte Costello die Gelegenheit beim Schopf: »Warum, glauben Sie, hat sie sich die Kleidung geliehen, die Iain Ihnen geschenkt hat?«
Marita zögerte, wenn auch nur einen Moment lang. »Wissen Sie, die Leute verstehen eins nicht: Itsy benimmt sich zwar wie ein Kind, aber sie wünscht sich schöne Sachen, Sachen, die sie in Zeitschriften gesehen hat. Alles, was ich hatte, wollte sie auch haben. Wenn ich einen Ledermantel bekam, wollte sie einen. Ich bekam Ugg -Boots, und sie wollte sie sofort auch. Ihre Vorstellung von Männern, ja, ihre gesamte Erfahrung mit Männern, besteht aus meinem Ehemann. Sie hängt ihm ständig an den Lippen. Mich provoziert sie nach Leibeskräften, aber ihm gehorcht sie aufs Wort. Es ist, als hätte man einen Teenager im Haus.« Sie wandte sich
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