In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
wünsche Ihren Kollegen viel Glück beim Zeitablauf. Ich weiß, als ich zuerst mit Diane gesprochen habe, waren beide am Torhaus. Tony ging raus und hat eine Weile nach ihr gesucht. Danach bin ich mit Bobby rausgegangen.«
Sie würden in Kürze eine genauere Aussage brauchen, dachte Costello. Aber jetzt war nicht der richtige Augenblick. »Was haben Sie den ganzen Abend gemacht?«, erkundigte sie sich.
»Ich bin meinen Kleiderschrank durchgegangen und habe aussortiert, was ich spenden könnte. Das mache ich alle paar Monate. Sie wären erstaunt, wie lange so etwas dauert.«
Wenn sie an ihren eigenen Kleiderschrank dachte, war Costello tatsächlich erstaunt.
»Man merkt gar nicht, wie die Zeit vergeht, wenn man beschäftigt ist.« Marita schob ein letztes Mal ihr Haar zurecht, damit es perfekt kupferrot und kastanienbraun auf das cremefarbene Leinen ihres Jacketts fiel. Dann wandte sie sich Costello zu. »Darf ich Sie etwas fragen? Glauben Sie, Itsy wurde als Opfer bewusst ausgewählt? Oder war möglicherweise ich gemeint?«
Costello wich einer direkten Antwort aus. »Wir ermitteln auch in diese Richtung. Aber darf ich Sie auch etwas fragen? Hat sich Itsy bei Ihnen Kleidung geliehen, Sie wissen schon, so wie Schwestern das manchmal machen? Dieses pfirsichfarbene Top? Und den hübschen Schal?«
»Den hat mir Iain in Italien gekauft.« Marita betrachtete sich im Spiegel.
Costello schob sich näher an sie heran, bis ihr Gesicht neben Marita im Spiegel erschien. Sie ist bloß drei oder vier Jahre älter als ich, dachte Costello, aber ich sehe aus, als hätte ich zehn Jahre mehr auf dem Buckel . »Hat sie sich häufig Ihre Kleidung genommen? Stücke, die sie besonders mochte, oder Dinge, die Iain für Sie gekauft hat?« Costello schaute direkt in die turmalingrünen Augen im Spiegel und hielt nach einer Reaktion Ausschau, einem offenen Mund oder einem langsamen Blinzeln. Marita erwiderte den Blick und verkörperte perfekt die verwirrte Unschuld.
»Daran habe ich noch nie gedacht. Aber ja, wo Sie es sagen. Was sie nimmt, sind immer Sachen, die Iain mir geschenkt hat. Aber Iain schenkt mir viel. Männer haben die Neigung, mir zu kaufen, was ich möchte.« Sie grinste süffisant vor sich hin.
»Ich habe keine Ahnung, warum du ausgerechnet zur Polizei gehen musstest. Wenn du Lehrerin geworden wärst, hättest du die gleiche Arbeitszeit wie die Kinder, und das wäre viel sinnvoller …«
Browne seufzte und hielt sich das Handy vom Ohr, während sie wartete, bis ihre Mutter Luft holte.
»Also, der Freund deiner Schwester … Du kennst ihn doch …«
Browne nahm ihre Chance wahr und hakte ein. »Mum, Irene nimmt die Kinder heute Nacht. Bei ihr geht es ihnen gut. Und morgen früh bringt sie die beiden zur Schule.« Zum wiederholten Mal schoss ihr Donnas Bild durch den Kopf, wie sie tot und geschunden in der Schlucht lag, und sie fügte entschlossen hinzu: »Mum, ich hab jetzt keine Zeit mehr.« Sie legte auf, unterbrach ihre Mutter mitten in der Litanei, schloss die Augen und atmete die feuchte erdige Wärme des großen viktorianischen Gewächshauses ein.
Die Dunkelheit wurde nur schwach von den Sicherheitslichtern auf der anderen Seite des Teichs vertrieben. Browne schaltete ihre Taschenlampe an und richtete den Strahl so aus, dass überall ein wenig Licht war, es jedoch nirgendwo zu hell wurde. Über sich sah sie verzierte schmiedeeiserne Streben, die im Laufe der Zeit immer wieder mit glänzendem Lack überstrichen worden waren. Zwei nackte Glühbirnen hingen über ihnen.
Sie zog sich den Handschuh aus und strich mit dem Finger über einen winzigen Farn – so zart, so schön. In der warmen Luft entspannte sie sich langsam und genoss den Duft von Paraffin und sauberer feuchter Erde. Es war so tröstlich, der Geruch von Mutter Erde, sie hätte hier ohne weiteres einschlafen können. Und tatsächlich sah es aus, als hätte jemand die gleiche Idee gehabt und auch in die Tat umgesetzt. Am Ende des betonierten Wegs in der Mitte stand ein alter Sessel, dessen Sitzfläche und Lehne sich der Form eines Körpers angepasst hatten, und ein altes goldenes Kissen mit verwirrten Fransen lag darauf. Hier saß jemand häufig, schlief ein und schnarchte, jemand, der dann seine Gummistiefel abstreifte und die Füße in Socken auf der Ölheizung wärmte. Sie zog den anderen Handschuh aus und steckte beide in die Tasche. Die Dunkelheit lastete schwer auf dem Glasdach. Sie sah die Glühbirnen über sich, fand jedoch keinen Schalter.
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