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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Pangborn begegnet, und es empfahl sich, einen großen Bogen um sie zu machen, zumindest während der Zeit, in der man sein Geschäft noch aufbaute und sich mit der Kundschaft vertraut machte. Männer wie Pangborn sahen zuviel.
    »Irgend etwas ist dir widerfahren, Sheriff«, sagte Gaunt. »Irgend etwas, was dich sogar noch gefährlicher gemacht hat, als du eigentlich sein dürftest. Auch das steht in deinem Gesicht geschrieben. Ich frage mich nur, was es war. War es etwas, das du getan hast, oder etwas, das du gesehen hast – oder beides?«
    Er stand da und schaute auf die Straße hinaus, und seine Lippen zogen sich langsam von seinen großen, unregelmäßigen Zähnen zurück. Er sprach mit der leisen, gelassenen Stimme eines Mannes, der es schon seit sehr langer Zeit gewohnt ist, sein eigener Zuhörer zu sein.
    »Ich habe mir sagen lassen, daß du so etwas wie ein Salon-Taschenspieler bist, mein uniformierter Freund. Du liebst Tricks. Ich werde dir ein paar neue zeigen, bevor ich die Stadt verlasse. Und ich habe nicht den geringsten Zweifel, daß sie dich in Erstaunen versetzen werden.«
    Er ballte die Hand zur Faust um Alans Visitenkarte herum, bog sie zusammen und zerknüllte sie dann. Als sie ganz in seiner Hand verborgen war, schoß zwischen seinem Zeige- und Mittelfinger eine blaue Feuerzunge heraus. Er öffnete die Hand wieder, und obwohl von der Handfläche kleine Rauchfäden aufstiegen, war von der Karte keine Spur mehr zu sehen – nicht einmal ein Häufchen Asche.
    »Sag Heisa und Abrakadabra«, sagte Gaunt leise. Dann warf er den Kopf zurück und begann zu lachen.

10
     
    Myrtle Keeton trat zum drittenmal an diesem Tag vor die Tür zum Arbeitszimmer ihres Mannes und lauschte. Als sie am Morgen gegen neun Uhr aufgestanden war, war Keeton bereits darin gewesen, hinter verschlossener Tür. Jetzt, um ein Uhr mittags, war er immer noch darin, und die Tür war nach wie vor verschlossen. Als sie ihn gefragt hatte, ob er etwas zu essen haben wollte, hatte er sie mit dumpfer Stimme angewiesen, zu verschwinden, er hätte zu tun.
    Sie hob die Hand, um abermals anzuklopfen – dann hielt sie inne und neigte den Kopf ein wenig zur Seite. Hinter der Tür war ein Geräusch zu hören – ein knirschendes, rasselndes Geräusch. Es erinnerte sie an die Geräusche, die die Kuckucksuhr ihrer Mutter hatte hören lassen, bevor sie ihren Geist endgültig aufgab.
    Sie klopfte leise an. »Danforth?«
    »Verschwinde!« Seine Stimme klang erregt, aber sie wußte nicht, ob es Begeisterung oder Angst war.
    »Danforth, ist alles in Ordnung?«
    »Ja, verdammt nochmal. Verschwinde! Ich komme bald heraus!«
    Rasseln und Knirschen. Knirschen und Rasseln. Es hörte sich an wie Sand in einem Rührgerät. Es ängstigte sie ein wenig. Sie hoffte, daß Danforth da drinnen keinen Nervenzusammenbruch hatte. Er hatte sich in letzter Zeit so merkwürdig benommen.
    »Danforth, möchtest du, daß ich zur Bäckerei hinunterfahre und ein paar Krapfen hole?«
    »Ja«, brüllte er. »Ja! Ja! Krapfen! Toilettenpapier! Koks! Fahr, wohin du willst! Hole, was du willst! Aber laß mich in Ruhe! «
    Sie blieb noch einen Moment lang beunruhigt stehen und dachte daran, noch einmal anzuklopfen. Dann beschloß sie, es nicht zu tun. Sie war sich nicht mehr sicher, ob sie überhaupt wissen wollte, was Danforth in seinem Arbeitszimmer tat. Sie war sich nicht mehr sicher, ob sie überhaupt wollte, daß er die Tür öffnete.
    Sie zog ihre Schuhe an und einen dicken Herbstmantel – es war sonnig, aber sehr kühl – und ging zu ihrem Wagen hinaus. Sie fuhr zu The Country Oven am Ende der Main Street und kaufte ein halbes Dutzend Krapfen – mit Honigüberzug für sie, mit Schokolade und Kokosnuß für Danforth. Vielleicht würden sie ihn aufheitern – auf sie wirkte ein bißchen Schokolade immer aufheiternd.
    Auf der Rückfahrt warf sie zufällig einen Blick ins Schaufenster von Needful Things. Was sie dort sah, veranlaßte sie, mit aller Kraft auf die Bremse zu treten. Wenn jemand hinter ihr gewesen wäre, hätte er sie bestimmt gerammt.
    Im Schaufenster stand eine wunderschöne Puppe.
    Natürlich war die Jalousie wieder hochgezogen. Und auf dem von dem Saugnapf aus durchsichtigem Plastik herabhängenden Schild stand abermals
    GEÖFFNET.
    Natürlich.

11
     
    Polly Chalmers verbrachte den Samstagnachmittag auf eine für sie höchst unübliche Art: mit Nichtstun. Sie saß, die Hände im Schoß, in ihrem Boston-Schaukelstuhl am Fenster und beobachtete den schwachen

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