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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Verkehr auf der Straße. Alan hatte sie angerufen, bevor er auf Streife losgefahren war, hatte ihr erzählt, daß er Leland Gaunt nicht angetroffen hatte, hatte sie gefragt, wie es ihr ginge und ob sie irgend etwas brauchte. Sie hatte gesagt, ihr ginge es gut, und sie brauchte nichts, vielen Dank. Beide Behauptungen waren Lügen; es ging ihr gar nicht gut, und es gab mehrere Dinge, die sie brauchte. Ganz oben auf der Liste stand eine Heilmethode für Arthritis.
    Nein, Polly – was du wirklich brauchst, ist ein bißchen Mut. Gerade genug, um vor den Mann hinzutreten, den du liebst, und zu sagen: »Alan, ich habe in manchen Punkten die Wahrheit verbogen über die Jahre, in denen ich von Castle Rock fort war, und über das, was mit meinem Sohn passiert ist, habe ich dich regelrecht belogen. Jetzt möchte ich dich um Verzeihung bitten und dir die Wahrheit sagen.«
    Es hörte sich einfach an, wenn man es so unumwunden aussprach. Es wurde nur schwer, wenn man dem Mann, den man liebte, in die Augen sah, oder wenn man versuchte, den Schlüssel zu finden, der einem das Herz aufschloß, ohne es in blutende, schmerzende Stücke zu zerreißen.
    Schmerzen und Lügen; Lügen und Schmerzen. Die beiden Themen, um die sich in letzter Zeit ihr ganzes Leben zu drehen schien.
    Wie geht es dir heute, Polly?
    Gut, Alan. Mir geht es gut.
    In Wirklichkeit hatte sie entsetzliche Angst. Nicht, daß ihre Hände in dieser Sekunde sonderlich heftig geschmerzt hätten; sie wünschte sich fast, daß es der Fall wäre, denn die Schmerzen, so schlimm sie auch waren, wenn sie schließlich kamen, waren immer noch besser als das Warten.
    Kurz nach zwölf hatte sie ein warmes Kribbeln – fast ein Vibrieren – in ihren Händen gespürt. Es bildete Wärmeringe um ihre Knöchel und um den Daumenansatz herum; sie spürte, wie es im Bett jedes Fingernagels in kleinen, stählernen Bogen lauerte wie ein humorloses Lächeln. Sie hatte das bereits zweimal gespürt und wußte, was es bedeutete. Sie würde haben, was ihre Tante Betty, die unter der gleichen Form von Arthritis gelitten hatte, einen wirklich schlimmen Anfall nannte. »Wenn meine Hände anfangen zu kribbeln, als stünden sie unter Strom, dann weiß ich immer, daß die Zeit gekommen ist, die Luken dichtzumachen«, hatte Betty gesagt, und jetzt versuchte Polly, ihre eigenen Luken dichtzumachen, mit bemerkenswertem Mangel an Erfolg.
    Draußen gingen zwei Jungen mitten auf der Straße und warfen einen Fußball zwischen sich hin und her. Der rechte – der jüngste der Lawes-Jungen – setzte zu einem Weitwurf an. Der Ball entglitt seinen Fingern und landete auf Pollys Rasen. Er sah, daß sie aus dem Fenster schaute, als er ihn wiederholen wollte, und winkte ihr zu. Polly hob ihrerseits die Hand, um das Winken zu erwidern – und spürte den Schmerz dumpf aufflackern wie einen dicken Haufen Kohlenglut bei einem unvermuteten Windstoß. Dann war er wieder verschwunden, und nur noch das unheimliche Kribbeln war da. Es fühlte sich so an, wie sich manchmal die Luft vor einem heftigen Gewitter anfühlt.
    Die Schmerzen würden zu gegebener Zeit kommen; sie konnte nichts dagegen tun. Doch die Lügen, die sie Alan über Kelton aufgetischt hatte – das war etwas völlig anderes. Und, dachte sie, es ist ja nicht so, daß die Wahrheit so entsetzlich, so beschämend, so bestürzend wäre – und es ist auch nicht so, daß er nicht bereits argwöhnte oder wußte, daß sie ihn belogen hatte. Denn das tat er. Es war seinem Gesicht anzusehen. Also warum ist es so schwer, Polly? Warum?
    Zum Teil wegen der Arthritis, nahm sie an, und zum Teil wegen der Schmerztabletten, auf die sie in zunehmendem Maße angewiesen war – beides zusammengenommen hatte eine Art, das vernünftige Denken zu verwischen, selbst die klarsten und säuberlichsten rechten Winkel seltsam schief erscheinen zu lassen. Und dann war da noch die Tatsache von Alans eigenem Schmerz – und die Ehrlichkeit, mit der er ihn offenbart hatte. Er hatte ihn ohne das geringste Zögern vor ihr ausgebreitet, damit sie ihn inspizieren konnte.
    Seine Gefühle im Kielwasser des unerklärlichen Unfalls, der Annie und Todd das Leben gekostet hatte, waren verworren und häßlich, umgeben von einem unerfreulichen (und beängstigenden) Wirbel von Emotionen, und dennoch hatte er sie vor ihr ausgebreitet. Er hatte es getan, weil er herausfinden wollte, ob sie Dinge über Annies Geisteszustand wußte, die ihm unbekannt waren – aber er hatte es auch getan, weil Fair Play

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