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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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seinem Traum begann Brian schließlich zu weinen. Er sah es in der Tat. Er sah es ganz genau, jetzt, da es zu spät war, um noch irgend etwas zu ändern.
    Gaunt drückte den Baseball. Noch mehr Blut quoll hervor, und seine Fingerspitzen versanken tief in seiner fleischigen Oberfläche. »Wenn du nicht willst, daß alle Leute in Castle Rock erfahren, daß du die Lawine ausgelöst hast, Brian, dann solltest du lieber tun, was ich dir sage.«
    Brian weinte heftiger.
    »Wenn du mit mir Geschäfte machst«, sagte Gaunt und hob den Arm zum Wurf, »dann darfst du zweierlei nicht vergessen: Mr. Gaunt weiß es am besten – und der Handel ist erst abgeschlossen, wenn Mr. Gaunt sagt , daß der Handel abgeschlossen ist.«
    Er warf auf die geschmeidige, urplötzliche Art, die es so schwer gemacht hatte, Sandy Koufax zu schlagen (das war jedenfalls die bescheidene Ansicht von Brians Vater), und als der Ball diesmal in Hugh Priests Handschuh landete, explodierte er. Blut und Haar und faserige Fleischfetzen spritzten in die helle Herbstsonne empor. Und Brian war aufgewacht, in sein Kissen weinend.

8
     
    Jetzt war er unterwegs, um zu tun, wovon Mr. Gaunt gesagt hatte, er müßte es tun. Fortzukommen war einfach genug gewesen; er hatte seinen Eltern gesagt, er ginge an diesem Morgen nicht mit zur Kirche, weil er Bauchschmerzen hätte (und das war nicht einmal eine Lüge). Sobald sie aus dem Haus waren, traf er seine Vorbereitungen.
    Es war anstrengend, das Rad zu fahren, und noch anstrengender, es im Gleichgewicht zu halten. Die Playmate-Kühltasche im Gepäckkorb war sehr schwer, und als er das Haus der Jerzycks erreicht hatte, war er schweißgebadet und außer Atem. Diesmal gab es kein Zögern, kein Drücken auf die Türglocke, keine vorbereitete Geschichte. Niemand war zu Hause. In dem Traum hatte Sandy Koufax/Leland Gaunt ihm gesagt, daß die Jerzycks nach der Elf-Uhr-Messe noch in der Kirche bleiben würden, um über die Festivitäten der bevorstehenden Kasino-Nacht zu reden, und anschließend würden sie Freunde besuchen. Brian glaubte ihm. Er wollte nichts anderes, als diese gräßliche Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen. Und wenn er es getan hatte, würde er nach Hause fahren, sein Fahrrad abstellen und den Rest des Tages im Bett verbringen.
    Er hob die Kühltasche aus dem Gepäckkorb und stellte sie auf den Rasen. Er befand sich hinter der Hecke, wo ihn niemand sehen konnte. Was er zu tun hatte, würde eine Menge Lärm machen, aber Koufax/Gaunt hatte ihm gesagt, er brauchte sich deshalb keine Sorgen zu machen. Er hatte gesagt, fast alle Bewohner der Willow Street wären Katholiken, und die meisten von denen, die nicht zur Elf-Uhr-Messe gegangen wäre, hätten an der Messe um acht teilgenommen und unternähmen jetzt ihre Sonntagsausflüge. Brian wußte nicht, ob das stimmte oder nicht. Es gab nur zweierlei, das er genau wußte: Mr. Gaunt wußte es am besten, und der Handel war erst abgeschlossen, wenn Mr. Gaunt sagte, daß der Handel abgeschlossen war.
    Und dies war der Handel.
    Brian öffnete die Playmate-Kühltasche. Drinnen lagen ungefähr ein Dutzend Steine, jeder so groß wie ein Baseball. Um jeden herumgewickelt und mit ein oder zwei Gummibändern befestigt war ein Blatt Papier aus Brians Schul-Notizbuch. Und auf jedem Blatt stand in Großbuchstaben die simple Botschaft:
     
    Brian nahm einen dieser Steine und ging damit über den Rasen, bis er nur noch drei Meter von dem großen Wohnzimmerfenster der Jerzycks entfernt war – einem Fenster von der Art, die man in den frühen Sechzigern, in denen das Haus gebaut worden war, als »Aussichtsfenster« bezeichnete. Er hob den Arm, zögerte nicht länger als eine Sekunde und ließ den Stein dann fliegen wie Sandy Koufax den Ball im siebenten Spiel der World Series. Es gab ein heftiges und unmusikalisches Klirren, gefolgt von einem dumpfen Aufprall, als der Stein auf dem Wohnzimmerteppich landete und darauf noch ein Stück weiterrollte.
    Das Geräusch übte auf Brian eine seltsame Wirkung aus. Seine Angst verließ ihn, und auch sein Widerwille gegen diesen neuerlichen Auftrag – den man beim besten Willen nicht als einen belanglosen Streich bezeichnen konnte – verflog. Das Geräusch zerbrechenden Glases erregte ihn – es flößte ihm ein Gefühl ein, das dem ähnelte, das er in seinen Tagträumen über Miss Ratcliffe gehabt hatte. Diese Tagträume waren Spinnerei gewesen, das wußte er inzwischen, aber dies war keine Spinnerei. Dies war wirklich

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