Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
hingerissen von ihr.
    Brian stand gegen sechs Uhr auf, ungefähr eine Viertelstunde bevor sein Vater mit zwei Freunden von einem Angelausflug zurückkehrte. Er holte sich eine Pepsi aus dem Kühlschrank und trank sie neben dem Herd. Er fühlte sich wesentlich besser.
    Er hatte das Gefühl, daß er nun vielleicht endlich seinen Teil zu dem mit Mr. Gaunt abgeschlossenen Handel beigetragen hatte.
    Außerdem war er zu dem Schluß gelangt, daß Mr. Gaunt es tatsächlich am besten wußte.

9
     
    Nettie Cobb, ohne die mindeste Vorahnung dessen, was zu Hause auf sie wartete, war allerbester Stimmung, als sie die Main Street hinunter und auf Needful Things zuging. Ein starkes Gefühl sagte ihr, daß der Laden, obwohl es Sonntagmorgen war, offen sein würde, und sie wurde nicht enttäuscht.
    »Mrs. Cobb!« sagte Leland Gaunt, als sie hereinkam. »Ich freue mich, Sie zu sehen!«
    »Auch ich freue mich, Sie zu sehen, Mr. Gaunt«, sagte sie – und so war es.
    Mr. Gaunt kam herbei, mit ausgestreckter Hand, aber Nettie wich vor der Berührung zurück. Es war ein unverzeihliches Benehmen, so unhöflich, aber Nettie konnte einfach nicht anders. Und Mr. Gaunt schien es zu verstehen, Gott segne ihn. Er lächelte, änderte seinen Kurs und machte statt dessen die Tür hinter ihr zu. Dann drehte er mit der Schnelligkeit eines Berufsspielers, der ein As im Ärmel verschwinden läßt, das Schild von GEÖFFNET zu GESCHLOSSEN um.
    »Bitte, nehmen Sie Platz, Mrs. Cobb! Bitte! Nehmen Sie Platz!«
    »Nun ja, also gut – aber ich bin eigentlich nur gekommen, um Ihnen zu sagen, daß Polly... Polly ist...« Sie fühlte sich irgendwie merkwürdig. Eine Art Schwimmen im Kopf. Sie ließ sich nicht sonderlich anmutig auf einem der Polsterstühle nieder. Dann stand Mr. Gaunt vor ihr; er hatte die Augen auf sie geheftet, und die Welt schien um ihn zu kreisen und dann wieder stillzustehen.
    »Polly fühlt sich nicht wohl, stimmt’s?« fragte Mr. Gaunt.
    »So ist es«, pflichtete Nettie ihm dankbar bei. »Es sind ihre Hände, müssen Sie wissen. Sie hat...«
    »Arthritis, ja, entsetzlich, ein Jammer, aber das Leben ist manchmal äußerst unerfreulich. Ich weiß, Nettie.« Mr. Gaunts Augen wurden wieder größer. »Aber es besteht keine Veranlassung, sie anzurufen – oder sie zu besuchen. Ihren Händen geht es jetzt besser.«
    »Wirklich?« fragte Nettie fast unbeteiligt.
    »Ja. Sie tun natürlich noch weh, und das ist gut, aber die Schmerzen sind nicht heftig genug, um sie fernzuhalten, und das ist noch besser – finden Sie nicht auch, Nettie?«
    »Ja«, sagte Nettie schwach; sie hatte keine Ahnung, was es war, dem sie zustimmte.
    »Und Ihnen«, sagte Mr. Gaunt mit seiner sanftesten, heitersten Stimme, »steht ein großer Tag bevor, Nettie.«
    »Tatsächlich?« Das war ihr neu; sie hatte vorgehabt, den Nachmittag in ihrem Lieblingssessel im Wohnzimmer zu verbringen, zu stricken und mit Raider zu ihren Füßen fernzusehen.
    »Ja. Ein sehr großer Tag. Und deshalb möchte ich, daß Sie hier sitzen bleiben und sich einen Moment ausruhen, während ich etwas hole. Werden Sie das tun?«
    »Ja...«
    »Gut. Und machen Sie die Augen zu, ja? Ruhen Sie sich richtig aus, Nettie!«
    Gehorsam machte Nettie die Augen zu. Irgendwann später sagte Mr. Gaunt, sie sollte sie wieder aufmachen. Sie tat es und verspürte einen Stich vor Enttäuschung. Wenn Leute einem sagen, man solle die Augen zumachen, dann hatten sie manchmal vor, einem etwas Hübsches zu geben. Ein Geschenk. Sie hatte gehofft, wenn sie die Augen wieder aufmachte, würde Mr. Gaunt vielleicht ein weiteres Stück Buntglas in der Hand halten, aber alles, was er hatte, war ein Block Papier. Die Blätter waren klein und rosa. Auf jedem standen die Worte:
    VERWARNUNG WEGEN VERKEHRSWIDRIGEN VERHALTENS
    »Oh«, sagte sie. »Ich dachte, es wäre vielleicht Buntglas.«
    »Ich glaube, Sie brauchen kein Buntglas mehr, Nettie.«
    »Nein?« Der Stich von Enttäuschung war wieder da. Diesmal war er stärker.
    »Nein. Traurig, aber wahr. Aber ich nehme an, Sie wissen noch, daß Sie etwas für mich tun wollten.« Mr. Gaunt setzte sich neben sie. »Das wissen Sie doch noch, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte sie. »Sie möchten, daß ich Buster einen Streich spiele. Sie möchten, daß ich irgendwelche Papiere in sein Haus bringe.«
    »So ist es, Nettie – sehr gut. Haben Sie noch den Schlüssel, den ich Ihnen gegeben habe?«
    Langsam wie eine Figur in einem Unterwasser-Ballett holte Nettie den Schlüssel aus der rechten

Weitere Kostenlose Bücher