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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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daß er vorhatte, sie umzubringen.
    Dann hatte er ihre Brust berührt und gezwinkert. »Möchtest du, Myrtle? Oder ist es für dich noch zu früh am Tage?«
    Also hatten sie sich geliebt, zum ersten Mal seit mehr als fünf Monaten hatten sie sich geliebt, und es war wundervoll gewesen, und jetzt saßen sie hier, speisten bei Maurice am frühen Sonntagnachmittag wie zwei junge Liebende. Sie wußte nicht, was diese wundersame Veränderung in ihrem Mann bewirkt hatte, und es war ihr auch gleichgültig. Sie wollte sie nur genießen und hoffen, daß sie vorhielt.
    »Alles okay, Myrt?« fragte Keeton, schaute von seinem Teller auf und wischte sein Gesicht mit der Serviette.
    Sie streckte schüchtern die Hand über den Tisch und berührte die seine. »Alles bestens. Alles ist – einfach wundervoll.«
    Sie mußte ihre Hand zurückziehen, um sich schnell mit der Serviette die Augen abzutupfen.

2
     
    Keeton fuhr fort, mit gutem Appetit sein Beef Borgnine zu essen, oder wie immer die Franzmänner das nannten. Der Grund seines Glückes war simpel. Jedes Pferd, das er gestern mit Hilfe des Winning Ticket ausgesucht hatte, war als erstes ins Ziel gegangen. Sogar Malabar, der Dreißig-zueins-Gaul im zehnten Rennen. Auf dem Heimweg nach Castle Rock war er nicht eigentlich gefahren, er hatte eher auf einem Luftkissen geschwebt, und in den Taschen seines Mantels hatten mehr als achtzehntausend Dollar gesteckt. Sein Buchmacher fragte sich vermutlich immer noch, wo das Geld geblieben war. Keeton wußte es: es war sicher verstaut im hinteren Teil des Schrankes in seinem Zimmer. Es steckte in einem Umschlag. Der Umschlag selbst lag in der Schachtel von Winning Ticket, zusammen mit dem phantastischen Spiel.
    Zum erstenmal seit Monaten hatte er wieder gut geschlafen, und als er aufwachte, kam ihm das erste Aufdämmern einer Idee wegen der Buchprüfung. Ein Aufdämmern war natürlich nicht viel, aber immer noch besser als das verworrene Dunkel, das in seinem Kopf gedröhnt hatte, seit dieser gräßliche Brief eingetroffen war. Und jetzt hatte es den Anschein, als wäre alles, was er brauchte, um sein Gehirn aus dem Leerlauf herauszubekommen, ein gewinnreicher Abend auf der Rennbahn gewesen.
    Er konnte nicht das ganze Geld ersetzen, bevor die Axt niedersauste, soviel stand fest. Lewiston war der einzige Ort, an dem während der Herbstsaison allabendlich Rennen stattfanden, und das waren ziemlich kleine Fische. Er konnte die Runde bei den verschiedenen County Fairs machen und bei den dort stattfindenden Rennen ein paar Tausender einheimsen; doch auch das würde nicht genügen. Und er konnte auch nicht viele Abende wie den gestrigen riskieren, nicht einmal auf der Rennbahn. Sein Buchmacher würde mißtrauisch werden und sich weigern, seine Wetten anzunehmen.
    Aber er glaubte, daß er einen Teil des Geldes ersetzen und gleichzeitig das Ausmaß seines Griffs in die Kasse herunterspielen konnte. Außerdem konnte er irgendeine Geschichte auftischen. Ein todsicheres Entwicklungsprojekt war schiefgelaufen. Ein unverzeihlicher Fehler – aber einer, für den er die volle Verantwortung übernahm und den er wieder gutzumachen gedachte. Er konnte darauf hinweisen, daß ein wirklich skrupelloser Mann in einer derartigen Lage die Gnadenfrist dazu hätte benutzen können, noch mehr Geld aus der Stadtkasse zu scheffeln – so viel, wie er irgend konnte – und sich dann in eine Gegend abzusetzen (irgendeine sonnige Gegend mit massenhaft Palmen und massenhaft weißen Stränden und massenhaft jungen Mädchen in knappen Bikinis), in der eine Auslieferung schwierig oder sogar unmöglich war.
    Er konnte ihnen auf die christliche Tour kommen und denjenigen, der ohne Sünde war, auffordern, den ersten Stein zu werfen. Das sollte ihnen zu denken geben. Wenn unter den Typen auch nur einer war, der nicht von Zeit zu Zeit seine Finger im Kuchen gehabt hatte, dann würde Keeton die Shorts dieses Mannes essen. Ohne Salz.
    Sie würden ihm Zeit geben müssen. Jetzt, da er endlich imstande war, seine Hysterie beiseitezuschieben und die Lage vernünftig zu durchdenken, war er fast sicher, daß sie das tun mußten. Schließlich waren sie alle Politiker. Sie würden wissen, daß die Presse, wenn sie mit Dan Keeton fertig war, für sie, die vorgeblichen Hüter der öffentlichen Gelder, noch genügend Teer und genügend Federn übrig haben würde. Sie würden die Fragen kennen, die im Gefolge einer öffentlichen Untersuchung oder (was Gott verhüten möge) einer Anklage wegen

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