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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ihrem kostbaren Inhalt fühlte sich seltsam schwer an in seiner Hand.
    »Hol sie heraus«, forderte Mr. Gaunt ihn auf.
    Als Brians Stimme endlich wieder aus seinem Mund herausdrang, hörte sie sich an wie das Krächzen eines sehr alten Invaliden. »Ich trau mich nicht.«
    »Nun, ich tue es«, sagte Mr. Gaunt. Er nahm Brian die Hülle ab, schob den sorgfältig manikürten Nagel eines Fingers hinein und zog die Karte heraus. Er legte sie in Brians Hand.
    Er konnte winzige Vertiefungen in der Oberfläche sehen – sie stammten von der Spitze des Stiftes, den Sandy Koufax benutzt hatte, um seinen Namen hinzuschreiben – ihrer beider Namen. Koufax’ eigene Unterschrift war fast identisch mit der gedruckten, aber die gedruckte lautete Sanford Koufax und das Autogramm Sandy Koufax. Außerdem war sie tausendmal besser, weil sie echt war. Sandy Koufax hatte diese Karte in der Hand gehalten und sein Zeichen darauf hinterlassen, das Zeichen seiner lebendigen Hand und seines magischen Namens.
    Aber außerdem stand noch ein weiterer Name auf der Karte – Brians eigener. Irgendein Junge, der so hieß wie er, hatte vor dem Spiel auf dem Übungsplatz von Ebbets Field gestanden, und Sandy Koufax, der wirkliche Sandy Koufax, jung und kräftig, die Jahre des Ruhms noch vor sich, hatte die ihm entgegengestreckte Karte genommen, die vermutlich noch nach süßem rosa Kaugummi roch, und hatte sein Zeichen darauf hinterlassen – und meines obendrein, dachte Brian.
    Plötzlich war es wieder da, das Gefühl, das über ihn hinweggefegt war, als er den Splitter aus versteinertem Holz in der Hand gehalten hatte. Nur war es diesmal viel, viel stärker.
    Der Duft von Gras, süß und frisch gemäht.
    Lautes Klatschen von Esche auf Pferdehaut.
    Rufe und Gelächter vom Trainingsplatz der Schlagmänner.
    »Hallo, Mister Koufax, würden Sie mir bitte ein Autogramm geben?«
    Ein schmales Gesicht. Braune Augen. Dunkles Haar. Die Kappe wird kurz abgenommen, er kratzt sich den Kopf unmittelbar oberhalb des Haaransatzes, dann setzt er die Kappe wieder auf.
    »Klar, Junge.« Er nimmt die Karte. »Wie heißt du?«
    »Brian, Sir – Brian Seguin.«
    Kratz, kratz, kratz auf der Karte. Der Zauber: das niedergeschriebene Feuer.
    »Willst du auch Baseball-Spieler werden, wenn du groß bist, Brian?« Die Frage klingt mechanisch, wie auswendig hergesagt, und er spricht, ohne das Gesicht von der Karte zu heben, die er in seiner großen rechten Hand hält, damit er mit seiner wenig später berühmten linken Hand schreiben kann.
    »Ja, Sir.«
    »Aber fleißig trainieren!« Und er gibt die Karte zurück.
    »Ja, Sir!«
    Aber er geht bereits davon, dann verfällt er in einen gemächlichen Trab auf dem frisch gemähten Gras, trabt auf den Trainingsplatz zu, und sein Schatten trabt neben ihm her...
    »Brian? Brian?«
    Lange Finger schnippten unter seiner Nase – Mr. Gaunts Finger. Brian arbeitete sich aus seiner Trance heraus und sah, daß Mr. Gaunt ihn anschaute, belustigt.
    »Bist du noch da, Brian?«
    »Entschuldigung«, sagte Brian und errötete. Er wußte, daß er die Karte zurückgeben sollte, sie zurückgeben und den Laden verlassen, aber er schien nicht imstande zu sein, sie loszulassen. Mr. Gaunt schaute ihm abermals in die Augen – direkt in den Kopf , wie es schien -, und wieder war es ihm unmöglich, den Blick abzuwenden.
    »Also«, sagte Mr. Gaunt leise, »nehmen wir an, Brian, du wärest der Käufer. Nehmen wir es einmal an. Wieviel würdest du für diese Karte bezahlen wollen?«
    Brian spürte, wie sich Verzweiflung wie ein Bergrutsch auf sein Herz legte.
    »Alles, was ich habe, sind...«
    Mr. Gaunts linke Hand flog hoch. »Pst!« sagte er streng. »Kein Wort davon! Der Käufer darf den Verkäufer nie wissen lassen, wieviel er hat! Da könntest du dem Verkäufer gleich die Brieftasche aushändigen und obendrein noch das, was du in den Taschen hast, auf den Fußboden werfen! Wenn du nicht lügen kannst, dann halt den Mund! Das ist die erste Regel für einen fairen Handel, Brian, mein Junge.«
    Seine Augen – so groß und dunkel. Brian hatte das Gefühl, in ihnen zu schwimmen.
    »Diese Karte hat zwei Preise, Brian. Halb und halb. Die eine Hälfte ist Bargeld. Die andere ist eine Tat. Hast du verstanden?«
    »Ja«, sagte Brian. Er fühlte sich wieder weit weg – weit weg von Castle Rock, weit weg von Needful Things, sogar weit weg von sich selbst. Das einzig Wirkliche an diesem weit entfernten Ort waren Mr. Gaunts große, dunkle Augen.
    »Der Geldpreis

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