In einer kleinen Stad
für diese signierte Sandy Koufax-Karte von 1956 ist fünfundachtzig Cents«, sagte Mr. Gaunt. »Erscheint dir das angemessen?«
»Ja«, sagte Brian. Seine Stimme war weit weg und winzig. Er spürte, wie er schwand, dahinschwand – und sich dem Punkt näherte, an dem jedes klare Erinnern aufhören würde.
»Gut«, sagte Mr. Gaunts gütige Stimme. »Bis hierher hat unser Handel gute Fortschritte gemacht. Und was die Tat betrifft – kennst du eine Frau namens Wilma Jerzyck, Brian?«
»Wilma, natürlich«, sagte Brian aus seiner Dunkelheit heraus. »Sie wohnt in der Straße, die unserem Block gegenüberliegt.«
»Ja, ich glaube, da wohnt sie«, pflichtete Mr. Gaunt ihm bei. »Und nun hör genau zu, Brian.« Er mußte weitergesprochen haben, aber Brian konnte sich nicht erinnern, was er gesagt hatte.
7
Das nächste, dessen er sich bewußt war, war, daß Mr. Gaunt ihn sanft auf die Main Street hinausschob, ihm erklärte, wie sehr er sich freute, ihn kennengelernt zu haben, und ihn bat, seiner Mutter und all seinen Freunden zu erzählen, daß er freundlich empfangen und fair behandelt worden war.
»Klar«, sagte Brian. Er fühlte sich verwirrt – aber gleichzeitig fühlte er sich sehr wohl, als wäre er gerade aus einem erholsamen Nachmittagsschlaf erwacht.
»Und komm wieder«, sagte Mr. Gaunt, kurz bevor er die Tür zumachte. Brian betrachtete sie. Auf dem Schild, das jetzt da hing, stand
GESCHLOSSEN
8
Brian hatte das Gefühl, als wäre er stundenlang in Needful Things gewesen, aber die Uhr an der Bank besagte, daß es erst zehn Minuten vor vier war. Es waren kaum zwanzig Minuten gewesen. Er schickte sich an, auf sein Fahrrad zu steigen, dann lehnte er die Lenkstange gegen einen Baum und griff in die Hosentaschen.
Aus der einen zog er sechs funkelnde Kupfermünzen.
Aus der anderen zog er die Sandy Koufax-Karte mit dem Autogramm.
Ganz offensichtlich hatten sie tatsächlich irgendeinen Handel abgeschlossen, aber Brian konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, worin er bestanden hatte – und er wußte nur, daß Wilma Jerzycks Name gefallen war.
Für meinen guten Freund Brian, mit den besten Wünschen, Sandy Koufax.
Welchen Handel sie auch abgeschlossen haben mochten, dies war es wert.
Eine Karte wie diese war praktisch alles wert.
Brian steckte sie behutsam in seinen Ranzen, damit sie nicht verbiegen konnte, stieg aufs Rad und fuhr schnell nach Hause. Er lächelte auf dem ganzen Weg.
Zweites Kapitel
1
Wenn in einer kleinen Stadt in Neuengland ein neuer Laden eröffnet wird, dann legen die Einwohner – auch wenn sie in mancher anderen Hinsicht ausgemachte Hinterwäldler sind – eine kosmopolitische Einstellung an den Tag, mit denen ihre Vettern in den Großstädten kaum wetteifern können. In New York oder Los Angeles zieht eine neue Galerie vielleicht eine kleine Schar möglicher Kunden und simpler Sehleute an, bevor sich die Türen zum ersten Mal öffnen; vor einem neuen Club kann sich sogar eine Schlange bilden, mit Absperrung durch die Polizei und einer Schar von paparazzi, bewaffnet mit Zubehörtaschen und Teleobjektiven, die erwartungsvoll dahinter stehen. Man hört angeregtes Stimmengemurmel, wie unter Theaterbesuchern am Broadway vor der Premiere eines neuen Stückes, das, ob Riesenerfolg oder totaler Reinfall, auf jeden Fall zu Bemerkungen Anlaß gibt.
Wenn in einer kleinen Stadt in Neuengland ein neuer Laden eröffnet wird, dann findet sich, bevor die Türen aufgehen, nur selten eine Schar ein, und zu einer Schlange kommt es nie. Wenn die Jalousien hochgezogen sind, die Türen aufgeschlossen und das neue Geschäft der Kundschaft zugänglich ist, dann kommen und gehen die Kunden in einem dünnen Rinnsal, das ein Außenseiter zweifellos mit Desinteresse erklären würde – wahrscheinlich ein schlechtes Omen für den künftigen Wohlstand des Ladenbesitzers.
Was wie Mangel an Interesse aussieht, verhüllt oft nur eifrige Erwartung und noch eifrigeres Beobachten. Cora Rusk und Myra Evans waren nicht die einzigen beiden Frauen in Castle Rock, die in der Woche, bevor der Laden eröffnet wurde, ausgedehnte Telefongespräche über Needful Things führten.
Dieses Interesse und diese Erwartung ändern jedoch nichts an dem konservativen Verhaltenskodex der Leute in einer kleinen Stadt. Gewisse Dinge tut man einfach nicht, vor allem in den strikten Yankee-Enklaven nördlich von Boston. Das sind Kommunen, die alljährlich neun Monate lang ganz auf sich allein gestellt
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