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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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geschlichen und die Fenster eingeworfen? Er wußte es nicht, aber was er wußte, war, daß Nettie Cobb in Castle Rock noch immer Interesse erregte – die Verrückte, die ihren Mann umgebracht und all die Jahre in Juniper Hill verbracht hatte. In den seltenen Fällen, in denen sie vom Pfad ihrer üblichen Routine abwich, wurde sie bemerkt. Wenn sie sich am Sonntagmorgen in die Willow Street geschlichen hätte – vielleicht vor sich hinmurmelnd und fast sicher weinend -, wäre sie bemerkt worden. Morgen würde Alan damit anfangen, an die Türen zwischen den beiden Häusern zu klopfen und Fragen zu stellen.
    Endlich glitt er in den Schlaf hinüber. Das Bild, das ihm auf diesem Weg folgte, war ein Haufen Steine mit daran befestigten Zetteln. Und er dachte abermals: Wenn nicht Nettie sie geworfen hat, wer hat es dann getan?

9
     
    In den frühen Morgenstunden am Montag, kurz vor Anbruch der Dämmerung und zu Beginn einer neuen und interessanten Woche tauchte ein junger Mann namens Ricky Bissonette aus der Hecke auf, die das Pfarrhaus der Baptisten umgab. In diesem blitzsauberen Haus schlief Reverend William Rose den Schlaf der Gerechten.
    Ricky, neunzehn und mit Verstand nicht sonderlich gesegnet, arbeitete unten in Sonnys Sunoco-Tankstelle. Er hatte sie Stunden zuvor geschlossen, aber im Büro herumgelungert, bis es spät (oder früh) genug war, um Rev. Rose einen kleinen Streich zu spielen. Am Freitagnachmittag hatte Ricky in den neuen Laden hineingeschaut und war mit dem Besitzer, einem interessanten alten Burschen, ins Gespräch gekommen. Eines hatte zum anderen geführt, und irgendwann hatte Ricky begriffen, daß er Mr. Gaunt seinen größten, geheimsten Wunsch anvertraute. Er erwähnte den Namen eines jungen Models – eines sehr jungen Models – und teilte Mr. Gaunt mit, daß er so ziemlich alles geben würde für einige Fotos dieser jungen Frau in unbekleidetem Zustand.
    »Wissen Sie, da habe ich etwas, was Sie interessieren könnte«, hatte Mr. Gaunt gesagt. Er ließ den Blick durch den Laden schweifen, als wollte er sich vergewissern, daß außer ihnen beiden niemand zugegen war; dann ging er zur Tür und drehte das GEÖFFNET-Schild zu GESCHLOSSEN um. Er kehrte zu seinem Platz neben der Registrierkasse zurück, wühlte unter dem Tresen herum und brachte einen großen, unbeschrifteten Umschlag zum Vorschein. »Werfen Sie doch einmal einen Blick darauf, Mr. Bissonette«, sagte Mr. Gaunt und zwinkerte ihm zu wie ein lüsterner Mann von Welt. »Ich glaube, Sie werden sich wundern. Vielleicht sogar staunen.«
    Er war sogar fassungslos. Es war das Model, nach dem es Ricky gelüstete – es mußte es sein! -, und die Frau war mehr als nur nackt. Auf einigen der Fotos trieb sie es mit einem bekannten Schauspieler. Auf anderen trieb sie es mit zwei bekannten Schauspielern, von denen einer so alt war, daß er ihr Großvater hätte sein können. Und auf wieder anderen...
    Aber bevor er noch welche von den anderen sehen konnte (und wie es schien, waren es fünfzig oder mehr, alles zwanzig mal fünfundzwanzig Zentimeter große Hochglanz-Farbfotos), hatte Mr. Gaunt sie ihm weggenommen.
    »Das ist...!« keuchte Ricky und erwähnte einen Namen, der allen Lesern der starsüchtigen Regenbogenpresse und allen Zuschauern der starsüchtigen Talkshows vertraut war.
    »Oh, nein«, sagte Mr. Gaunt, während seine jadefarbenen Augen sagten: Oh, ja. »Ich bin sicher, das kann nicht sein – aber die Ähnlichkeit ist wirklich bemerkenswert, nicht wahr? Der Verkauf solcher Fotos ist natürlich verboten – von den Sexszenen einmal abgesehen, das Mädchen kann nicht einen Tag älter sein als fünfzehn, um wen es sich auch handeln mag -, aber ich könnte mich vielleicht überreden lassen, sie Ihnen trotzdem zu überlassen, Mr. Bissonette. Das Fieber in meinem Blut ist nicht Malaria, sondern das Geschäftemachen. Also – feilschen wir?«
    Sie feilschten. Der Handel endete damit, daß Ricky Bissonette zweiundsiebzig pornographische Fotos kaufte für sechsunddreißig Dollar – und diesen kleinen Streich.
    Er rannte geduckt über den Rasen des Pfarrhauses, wartete einen Moment im Schatten der Vortreppe, um sicher zu sein, daß ihn niemand beobachtet hatte, und stieg dann die Stufen hinauf. Er holte eine schlichte weiße Karte aus seiner Gesäßtasche, öffnete den Briefschlitz und ließ die Karte hindurchfallen. Er stoppte die Messingklappe des Schlitzes mit den Fingerspitzen ab, um zu verhindern, daß sie zuschlug. Dann flankte er über

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