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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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zu befördern? Sie besaß keinen Führerschein und hatte keine Ahnung, wie man einen Wagen fuhr.
    Laß den Unsinn, alter Freund, riet die Stimme. Sie schrieb die Zettel in ihrem Haus – vermutlich gleich in der Diele neben ihrem toten Hund – und holte die Gummibänder aus ihrer Küchenschublade. Sie brauchte die Steine nicht zu schleppen; in Wilmas Hintergarten liegen genug davon herum. Richtig?
    Richtig. Dennoch konnte er den Gedanken nicht loswerden, daß die Steine mit den bereits daran befestigten Zetteln hingebracht worden waren. Er hatte keinen konkreten Grund, das anzunehmen, aber es erschien ihm einfach richtig – ein Verhalten, das man von einem Kind erwarten konnte oder von jemandem, der dachte wie ein Kind.
    Jemandem wie Nettie Cobb.
    Schluß damit – gib’s auf.
    Aber er konnte es nicht.
    Polly berührte seine Wange. »Ich bin sehr froh, daß du gekommen bist, Alan. Auch für dich muß es ein gräßlicher Tag gewesen sein.«
    »Ich habe schon bessere gehabt, aber jetzt ist er vorüber. Du solltest ihn auch vergessen. Versuche zu schlafen. Du hast morgen eine Menge zu tun. Soll ich dir eine Tablette holen?«
    »Nein, meinen Händen geht es etwas besser. Alan...« Sie brach ab, bewegte sich unruhig unter der Decke.
    »Was?«
    »Nichts«, sagte sie. »Es war nicht wichtig. Ich glaube, jetzt, da du hier bist, kann ich schlafen. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht, Liebste.«
    Sie drehte sich von ihm weg, zog die Decke hoch und war still. Einen Moment lang dachte er daran, wie sie ihn umarmt hatte – das Gefühl ihrer in seinem Genick verschränkten Hände. Wenn sie imstande war, die Finger so zu biegen, mußte es ihr wirklich besser gehen. Das war eine gute Sache, vielleicht die beste, seit Clut bei ihm angerufen hatte. Wenn die Sache nur gut bleiben würde...
    Polly hatte eine etwas schiefe Nasenscheidewand und begann jetzt leicht zu schnarchen, ein Geräusch, das Alan sogar als angenehm empfand. Es war gut, das Bett mit einem anderen Menschen zu teilen, einem wirklichen Menschen, der wirkliche Geräusche von sich gab – und ihm manchmal die Decke wegzog. Er lächelte in der Dunkelheit.
    Dann kehrten seine Gedanken zu den Morden zurück.
    Ich denke, sie wird mich jetzt in Ruhe lassen. Ich habe nichts von ihr gehört oder gesehen, also nehme ich an, sie hat es endlich begriffen.
    Ich habe nichts von ihr gehört oder gesehen.
    Ich nehme an, sie hat es endlich begriffen.
    Ein Fall wie dieser brauchte nicht gelöst zu werden; selbst Seat Thomas hätte einem nach einem einzigen Blick durch seine Trifokal-Brille auf den Tatort genau sagen können, was passiert war. Es waren Küchenwerkzeuge gewesen anstelle von Duellpistolen bei Tagesanbruch, aber das Ergebnis war dasselbe: zwei Tote in der Leichenhalle des K.V.H. mit Y-förmigen Autopsieschnitten. Die einzige Frage war, warum es passiert war. Er hatte einige Fragen gehabt, ein paar schwer zu definierende Unruhegefühle, aber die würden zweifellos verschwunden sein, bevor Wilma und Nettie in der Erde lagen.
    Jetzt waren die Unruhegefühle bedrängender, und einige von ihnen ( ich nehme an, sie hat es endlich begriffen ) hatten Namen.
    Für Alan war ein Kriminalfall wie ein von einer hohen Mauer umgebener Garten. Man mußte hineingelangen, also suchte man nach der Pforte. Manchmal gab es mehrere, aber seiner Erfahrung nach gab es zumindest eine. Wenn nicht – wie wäre sonst der Gärtner hineingelangt, um seine Samen auszusäen? Sie konnte groß sein, mit einem auf sie verweisenden Pfeil und einem grellen Neonlicht, das besagte EINTRITT HIER, aber auch klein und so sehr mit Efeu überwuchert, daß man eine ganze Weile suchen mußte, bis man sie fand, aber vorhanden war sie immer, und wenn man lange genug suchte und nicht davor zurückscheute, sich beim Wegreißen des Wildwuchses ein paar Blasen an den Händen zu holen, dann fand man sie immer.
    Manchmal war die Pforte ein am Tatort gefundener Beweis. Manchmal war es ein Zeuge. Manchmal waren es fest auf Ereignissen und logischem Denken basierende Vermutungen. Die Vermutungen, die er in diesem Fall angestellt hatte, waren: erstens, daß Wilma ihrer langen Gewohnheit, über andere Leute herzufallen, treu geblieben war; zweitens, daß sie sich diesmal für ihre Spielchen die falsche Person ausgesucht hatte; drittens, daß Nettie wieder übergeschnappt war wie damals, als sie ihren Mann umgebracht hatte. Aber...
    Ich habe nichts von ihr gehört oder gesehen.
    Wenn Nettie das wirklich gesagt hatte, wieviel änderte

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