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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gegenteiliger Behauptungen; weniger zu tun, wäre gegen die Spielregeln gewesen.
    Dennoch war es in erster Linie Belustigung, nicht Seelen, was ihn in Gang hielt. Simple Belustigung. Es war das einzige, worauf es noch ankam – wenn die Jahre lang waren, suchte man sich seine Vergnügungen, wo man sie finden konnte.
    Mr. Gaunt holte seine Hände hinter dem Rücken hervor – diese Hände, die jedermann Abscheu einflößten, der das Unglück hatte, ihre knisternde Berührung zu spüren – und verhakte sie fest ineinander. Die Knöchel der linken Hand drückten gegen die Fläche seiner rechten Hand. Die Knöchel der rechten Hand drückten gegen die Fläche seiner linken Hand. Seine Fingernägel waren lang und dick und gelb. Sie waren außerdem sehr scharf, und einen Augenblick später schnitten sie in die Haut seiner Finger ein und ließen dickes, schwärzlichrotes Blut austreten.
    Brian Rusk schrie im Schlaf auf.
    Myra Evans stieß die Hände zwischen die Beine und begann, heftig zu masturbieren – in ihrem Traum lag sie mit The King im Bett.
    Danforth Keeton träumte, er läge mitten auf der Zielgeraden der Rennbahn in Lewiston, und er schlug die Hände vors Gesicht, als die Pferde über ihn hinwegdonnerten.
    Sally Ratcliffe träumte, sie öffnete die Tür von Lester Pratts Mustang, nur um feststellen zu müssen, daß er voller Schlangen war.
    Hugh Priest schrie sich wach aus einem Traum, in dem Henry Beaufort, der Wirt des Mellow Tiger, Feuerzeugbenzin über seinen Fuchsschwanz schüttete und ihn in Brand steckte.
    Everett Frankel, Ray Van Allens Assistent, träumte, er steckte seine neue Pfeife in den Mund und stellte dann fest, daß sie sich in eine Rasierklinge verwandelt und ihm die Zunge abgeschnitten hatte.
    Polly Chalmers begann leise zu stöhnen, und in dem kleinen silbernen Amulett, das sie trug, rührte sich etwas und bewegte sich mit einem Knistern, das sich wie das Schwirren von kleinen, trockenen Flügeln anhörte. Und es gab einen schwachen, trockenen Geruch von sich – wie ein Hauch von Veilchen.
    Leland Gaunt lockerte langsam seinen Griff. Seine großen, schiefen Zähne waren entblößt zu einem Grinsen, das fröhlich war und zugleich außerordentlich häßlich. In ganz Castle Rock verflogen Träume, und unruhige Schläfer kamen wieder zur Ruhe.
    Fürs erste.
    Bald würde die Sonne aufgehen. Wenig später würde ein neuer Tag beginnen, mit all seinen Überraschungen und Wundern. Er dachte, daß es an der Zeit wäre, einen Gehilfen anzuheuern. Nicht, daß dieser Gehilfe immun sein würde gegen den Prozeß, den er in Gang gesetzt hatte. Gott behüte.
    Das würde den ganzen Spaß verderben.
    Leland Gaunt stand am Fenster und blickte auf die unter ihm liegende Stadt, die sich vor ihm ausbreitete, wehrlos in all ihrer lieblichen Dunkelheit.

ZWEITER TEIL
     
    SONDERANGEBOTE
     

Zwölftes Kapitel
     

1
     
    Montag, der 14. Oktober, Kolumbus-Tag, dämmerte wolkenlos und heiß in Castle Rock. Die Einwohner beschwerten sich über die Hitze, und wenn sie sich in Grüppchen trafen – im Stadtpark, in Nan’s Lucheonette, auf den Bänken vor dem Gebäude der Stadtverwaltung -, teilten sie sich mit, daß es unnatürlich war. Hatte wahrscheinlich irgend etwas zu tun mit den verdammten Irakis oder vielleicht dem Ozonloch, von dem im Fernsehen immer die Rede war. Etliche der Älteren erklärten, als sie jung gewesen wären, hätte es in der zweiten Oktoberwoche nie Tage gegeben, an denen morgens um sieben schon eine Temperatur von zwanzig Grad herrschte.
    Das stimmte natürlich nicht, und die meisten (wenn nicht gar alle) von ihnen wußten es: alle zwei bis drei Jahre konnte man sich darauf verlassen, daß der Altweibersommer aus dem Ruder lief und daß es vier oder fünf Tage geben konnte, an denen man glauben mochte, es wäre Mitte Juni. Und dann wachte man eines Morgens mit etwas auf, das sich anfühlte wie eine Sommererkältung, nur um sehen zu müssen, daß auf dem Rasen vor dem Haus Reif lag und in der eisigen Luft ein paar Schneeflocken herumwirbelten. Das alles wußten sie, aber als Gesprächsthema war das Wetter einfach zu gut, als daß man es durch ein derartiges Eingeständnis hätte verderben mögen. Niemand wollte Streit; Auseinandersetzungen waren, wenn das Wetter zur falschen Jahreszeit heiß wurde, keine gute Idee. Man mußte damit rechnen, daß die Leute übel reagierten, und wenn die Bewohner von Castle Rock ein ernüchterndes Beispiel dafür haben wollten, was passieren konnte, wenn Leute

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