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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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das? Wie viele Vermutungen fegte dieser einzige Satz vom Tisch? Alan wußte es nicht.
    Er starrte in die Dunkelheit von Pollys Schlafzimmer und fragte sich, ob er die Pforte nicht vielleicht doch gefunden hatte
    Vielleicht hatte Polly nicht richtig gehört, was Nettie gesagt hatte. Das war immerhin möglich, aber Alan glaubte es nicht. Netties Verhalten bestätigte, jedenfalls bis zu einem gewissen Grad, das, was Polly gehört haben wollte. Nettie war am Freitag nicht zur Arbeit gekommen – sie hatte gesagt, sie wäre krank. Vielleicht war sie tatsächlich krank gewesen, vielleicht hatte sie sich aber auch nur vor Wilma gefürchtet. Das schien einleuchtend; sie wußten von Pete Jerzyck, daß Wilma, nachdem sie entdeckt hatte, was mit ihren Laken passiert war, zumindest einmal bei Nettie angerufen hatte. Möglicherweise waren am nächsten Tag weitere Anrufe erfolgt, von denen Pete nichts wußte. Aber am Sonntagmorgen war Nettie mit einem Geschenk bei Polly erschienen. Hätte sie das getan, wenn Wilma nach wie vor das Feuer geschürt hätte? Alan glaubte es nicht.
    Und dann war da die Sache mit den Steinen, die Wilmas Fenster verwüstet hatten. Auf jedem der daran befestigten Zettel standen dieselben Worte: ICH HABE GESAGT, SIE SOLLEN MICH IN RUHE LASSEN. DIES IST DIE LETZTE WARNUNG. Eine Warnung bedeutet normalerweise, daß die verwarnte Person noch Zeit hat, ihr Verhalten zu ändern. Aber in diesem Fall war die Zeit für Wilma und Nettie abgelaufen gewesen. Sie waren nur zwei Stunden nach dem Steinewerfen an dieser Straßenecke aneinandergeraten.
    Er nahm an, daß er sich darüber hinwegsetzen konnte, wenn es sein mußte. Als Nettie ihren Hund fand, mußte sie wütend gewesen sein. Ebenso Wilma, als sie nach Hause kam und den an ihrem Haus angerichteten Schaden sah. Alles, was nötig war, um das Faß endgültig zum Überlaufen zu bringen, war ein einziger Telefonanruf. Eine der beiden Frauen hatte diesen Anruf getätigt – und der Ballon war hochgegangen.
    Alan drehte sich auf die Seite und wünschte sich die alten Zeiten zurück, in denen auch Ortsgespräche registriert wurden. Wenn er einen eindeutigen Beweis dafür hätte, daß Wilma und Nettie vor ihrem letzten Zusammentreffen miteinander telefoniert hatten, dann würde ihm wesentlich wohler sein. Immerhin – nehmen wir diesen letzten Anruf als gegeben hin. Dann blieben immer noch die Zettel.
    So muß es passiert sein, dachte er. Nettie kommt von Polly zurück und findet ihren Hund tot auf dem Fußboden der Diele. Sie liest die Nachricht auf dem Korkenzieher. Dann schreibt sie vierzehn- oder sechzehnmal denselben Text auf Zettel und steckt sie in die Manteltasche. Außerdem steckt sie einen Haufen Gummibänder ein. Bei Wilma angekommen, geht sie in den Hintergarten. Sie sammelt vierzehn oder sechzehn Steine auf und benutzt die Gummibänder, um die Zettel an ihnen zu befestigen. Das muß sie getan haben, bevor sie mit dem Steinewerfen anfing – es hätte zu lange gedauert, die Festivität ständig zu unterbrechen, um weitere Steine aufzusammeln und weitere Zettel daran zu befestigen. Und sobald sie fertig ist, geht sie nach Hause und trauert weiter um ihren toten Hund.
    Es fühlte sich total falsch an.
    Es fühlte sich regelrecht lausig an.
    Es setzte eine Kette von Denken und Handeln voraus, die einfach nicht zu dem paßte, was er von Nettie Cobb wußte. Der Mord an ihrem Mann war eine Reaktion auf jahrelange Mißhandlung gewesen, aber der Mord selbst eine Impulshandlung, begangen von einer Frau, die durchgedreht war. Wenn die Berichte in George Bannermans Akten zutrafen, dann hatte Nettie Albion Cobb bestimmt keine Vorwarnungen zukommen lassen.
    Was sich richtig anfühlte, war wesentlich simpler: Nettie kommt von Polly nach Hause zurück. Sie findet ihren Hund tot in der Diele. Sie holt ein Fleischbeil aus der Küchenschublade und macht sich auf den Weg, um sich ein großes Stück aus einem polnischen Hintern herauszuschneiden.
    Aber wenn das der Fall war – wer hatte dann Wilma Jerzycks Fenster eingeworfen?
    »Eine absurde Geschichte«, murmelte er und drehte sich ruhelos auf die andere Seite.
    John LaPointe hatte die Beamten begleitet, die den Sonntagnachmittag und -abend damit verbracht hatten, Netties Bewegungen nachzuspüren – soweit es solche überhaupt gab. Sie war mit der Lasagne zu Polly gegangen. Sie hatte Polly gesagt, daß sie auf dem Heimweg vielleicht noch in den neuen Laden, Needful Things, hineinschauen und mit dem Besitzer, Leland Gaunt,

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