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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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empfand. Garsons goldgeränderte Brille zersplitterte. Er schrie auf, taumelte mit den Händen vor seinem blutenden Gesicht rückwärts und stürzte auf der Main Street hin.
    »Ha!« knurrte Buster. »Damit hast du nicht gerechnet, nicht wahr? Damit hast du ganz und gar nicht gerechnet, du Schweinehund von einem Verfolger, nicht wahr?«
    Er wand sich vollends in seinen Wagen hinein. Die Kette war gerade eben lang genug. Sein Schultergelenk knarrte, als er sich unter seinem eigenen Arm hindurchwand und auf den Sitz glitt. Er startete den Wagen.
    Scott Garson setzte sich gerade noch rechtzeitig auf, um zu sehen, wie der Cadillac auf ihn zukam. Sein Kühlergrill schien ihn anzugrinsen, ein riesiger Chromberg, bereit, ihn zu zermalmen.
    Er rollte sich blitzschnell nach links und entging dem Tod nur um Sekundenbruchteile. Einer der großen Vorderreifen des Cadillac fuhr über seine rechte Hand und zerquetschte sie gründlich. Dann fuhr der Hinterreifen darüber und vollendete das Werk. Garson lag auf dem Rücken, betrachtete seine zermalmten Finger, die jetzt ungefähr die Größe von Spachteln hatten, und begann, in den heißen blauen Himmel emporzuschreien.

31
     
    »TAMMMMMEEEE FAYYYYE!«
    Dieser Schrei riß Frank Jewett aus seinem tiefen Schlaf. In diesen ersten, verwirrten Sekunden hatte er nicht die geringste Ahnung, wo er sich befand – nur, daß es sich um einen engen Raum handelte. Einen unangenehmen Raum. Außerdem war da etwas in seiner Hand – was war es?
    Er hob die rechte Hand und hätte sich beinahe mit dem Steakmesser das Auge ausgestochen.
    »Ooooooohhh, oooooohh! TAMMEEEEE FAYYYYYE!«
    Da fiel ihm alles wieder ein. Er lag hinter dem Sofa seines guten alten >Freundes< George T. Nelson, und es war George T. Nelson selbst, wie er leibte und lebte, der lautstark seinen toten Sittich betrauerte. Mit diesem Begreifen stellte sich auch alles andere wieder ein: die über sein Büro verstreuten Zeitschriften, der Erpresserbrief, der mögliche (nein, wahrscheinliche – je länger er darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher kam es ihm vor) Ruin seiner Karriere und seines Lebens.
    Und jetzt konnte er, so unglaublich es auch war, hören, wie George T. Nelson schluchzte. Wegen eines verdammten flatternden Scheißvogels schluchzte. Nun, dachte Frank, ich werde dich von deinem Jammer erlösen, George. Wer weiß – vielleicht kommst du sogar in den Vogelhimmel.
    Das Schluchzen näherte sich dem Sofa. Es wurde immer besser. Er würde aufspringen – Überraschung, George! -, und der Dreckskerl würde tot sein, bevor er auch nur ahnte, was ihm bevorstand. Frank war im Begriff, seinen Sprung zu tun, als sich George T. Nelson, immer noch schluchzend, als wollte sein Herz brechen, auf sein Sofa fallen ließ. Er war ein schwerer Mann, und sein Gewicht schob das Sofa mit einem Ruck wieder an die Wand. Er hörte nicht das überraschte, atemlose >Uuuuf!<, das dahinter hervordrang; sein eigenes Schluchzen übertönte es. Er tastete nach dem Telefon, wählte durch einen Tränenschleier hindurch und bekam (was fast ein Wunder war) beim ersten Läuten Fred Rubin an den Apparat.
    »Fred!« weinte er. »Fred, etwas Entsetzliches ist passiert! Vielleicht passiert es immer noch! Oh, Jesus, Fred! Oh, Jesus!«
    Unter und hinter ihm rang Frank Jewett nach Atem. Geschichten von Edgar Allan Poe, die er als Kind gelesen hatten, Geschichten über Leute, die lebendig begraben wurden, rasten durch seinen Kopf. Sein Gesicht nahm langsam die Farbe alter Ziegelsteine an. Das schwere hölzerne Bein, das gegen seine Brust gedrückt worden war, als George T. Nelson auf das Sofa sank, fühlte sich an wie ein Bleistange. Die Rückwand des Sofas preßte sich gegen seine Schulter und eine Seite seines Gesichtes.
    Über ihm sprudelte George T. Nelson eine verworrene Beschreibung dessen, was er beim Heimkommen vorgefunden hatte, in Fred Rubins Ohr. Endlich hielt er einen Moment inne, und dann weinte er: »Warum soll ich darüber nicht am Telefon reden? WIE KANN MICH DAS KÜMMERN; WO ER TAMMY FAYE UMGEBRACHT HAT? DAS SCHWEIN HAT TAMMY FAYE UMGEBRACHT! Wer konnte so etwas tun, Fred? Wer ? Du mußt mir helfen!«
    Eine weitere Pause, während George T. Nelson zuhörte, und Frank erkannte mit wachsender Panik, daß er bald ohnmächtig werden würde. Plötzlich wurde ihm klar, was er tun mußte: er mußte die Llama Automatik dazu benutzen, durch das Sofa zu schießen. Er würde George T. Nelson vielleicht nicht töten, würde George T. Nelson vielleicht

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