Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
die Karte aus der Tasche und setzte sich auf eine Stufe, um sie zu studieren. Die Kurzzeit-Wirkung des Kokains war verflogen, aber sein Herz hämmerte nach wie vor heftig. Er hatte entdeckt, daß auch die Schatzsuche ein Stimulans war.
    Er schaute sich kurz um, betrachtete den verunkrauteten Hof, die zusammensackende Scheune, die Büschel von blind starrenden Sonnenblumen. Es ist nicht viel, aber ich glaube trotzdem, das ist es. Der Ort, an dem ich die Brüder Corson ein für allemal hinter mir lassen und obendrein noch reich werden kann. Es ist hier – etwas davon oder alles. Genau hier. Ich fühle es.
    Aber es war mehr als nur ein Gefühl – er konnte es hören , einen leisen Gesang. Einen Gesang, der aus der Erde aufstieg. Nicht nur Zehntausende, sondern Hunderttausende. Vielleicht sogar eine Million.
    »Eine Million Dollar«, flüsterte Ace mit erstickter Stimme und beugte sich über die Karte.
    Fünf Minuten später war er auf der Suche an der Westseite des Camber-Hauses. Am hinteren Ende, unter hohem Unkraut verborgen, fand er, wonach er suchte – einen großen, flachen Stein. Er hob ihn auf, warf ihn beiseite und begann wie ein Besessener zu graben. Kaum zwei Minuten später gab es ein dumpfes Klirren, als die Schaufel auf rostiges Metall stieß. Ace fiel auf die Knie, wühlte in der Erde wie ein Hund nach einem vergrabenen Knochen, und eine Minute später hatte er die Sherwin-Williams-Farbdose herausgeholt, die hier vergraben gewesen war.
    Hingebungsvolle Kokainschnupfer sind zumeist auch hingebungsvolle Nägelkauer, und Ace war keine Ausnahme. Er hatte keine Fingernägel, mit denen er hebeln konnte, und er bekam den Deckel nicht ab. Mit einem zugleich wütenden und verzweifelten Grunzen zog er sein Taschenmesser, schob die Klinge unter den Dosenrand und hebelte den Deckel ab. Er schaute begierig hinein.
    Scheine!
    Unmengen von Scheinen!
    Mit einem Aufschrei ergriff er sie, zog sie heraus – und sah, daß seine Gier ihn getäuscht hatte. Es waren nur noch mehr Rabattmarken. Red Ball Stamps diesmal, die nur südlich der Mason-Dixon-Linie eingelöst werden konnten – und auch dort nur bis zum Bankrott der Firma im Jahre 1964.
    »Scheiß Feuer und spar Streichhölzer!« schrie Ace. Er warf die Marken beiseite. Sie fielen auseinander und wurden in der leichten, heißen Brise, die inzwischen aufgekommen war, davongeweht. Einige blieben an den hohen Unkräutern hängen und flatterten wie staubige Banner. »Schwein! Bastard! Hurensohn!«
    Er wühlte in der Dose herum, drehte sie sogar um, um zu sehen, ob irgendetwas an den Boden geklebt war, und fand nichts. Er warf sie fort, starrte ihr einen Augenblick lang nach, dann stürmte er hin und kickte sie durch die Luft wie einen Fußball.
    Er tastete wieder nach der Karte in seiner Tasche. Es folgte eine Sekunde voller Panik, in der er fürchtete, sie wäre nicht mehr da, er hätte sie irgendwie verloren, aber er hatte sie in seinem Eifer nur ganz nach unten geschoben. Er riß sie heraus und betrachtete sie. Das andere Kreuz war drüben hinter der Scheune – und plötzlich schoß Ace eine wundervolle Idee in den Kopf und erhellte die wütende Dunkelheit, die in ihm herrschte, wie eine Leuchtkugel am vierten Juli.
    Die Dose, die er gerade ausgegraben hatte, war ein Blender! Pop mochte sich gedacht haben, irgend jemand könnte über die Tatsache stolpern, daß er seine Verstecke mit flachen Steinen markiert hatte. Deshalb hatte er das alte Spiel des Köderns und Ablenkens gespielt. Nur, um sicherzugehen. Ein Jäger, der einen wertlosen Schatz gefunden hatte, würde nie auf die Idee kommen, daß da noch ein weiteres Versteck war, auf demselben Grundstück, aber an einer etwas entlegeneren Stelle...
    »Es sei denn, er hätte die Karte«, flüsterte Ace. »Die ich habe.«
    Er nahm Hacke und Schaufel und rannte zur Scheune, mit weit geöffneten Augen und ergrauendem, verschwitztem Haar, das an den Seiten seines Gesichts klebte.

9
     
    Er sah den alten Air-Flow-Wohnwagen und rannte darauf zu. Er war fast bei ihm angekommen, als er über irgend etwas stolperte und zu Boden stürzte. Einen Augenblick später setzte er sich auf und schaute sich um. Er erkannte sofort, worüber er gestolpert war.
    Es war eine Schaufel. Eine mit frischer Erde am Blatt.
    Ein ungutes Gefühl begann Ace zu beschleichen; ein wahrhaft ungutes Gefühl. Es fing in seinem Bauch an, breitete sich dann nach oben in seine Brust und nach unten in seine Hoden aus. Seine Lippen wichen von den Zähnen

Weitere Kostenlose Bücher