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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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nie nach seinen Bedürfnissen, weil es alles Dinge waren, nach denen sie ein Bedürfnis hatten, und er war hierhergekommen, um ihre Leere zu füllen und ihre Sehnsüchte zu stillen.
    »Ich freue mich, Sie zu sehen, Mr. Emerson!«
    Oh, es war immer gut, so gut, wieder auf die alte Art Geschäfte zu machen. Und die Geschäfte waren noch nie besser gegangen.

2
     
    Alan Pangborn war nicht in Castle Rock. Während sich am einen Ende der Main Street die Reporter und die Staatspolizei versammelten und Mr. Gaunt auf halber Höhe des Hügels seinen Total-Ausverkauf betrieb, saß Alan Pangborn im Schwesternzimmer des Blumer-Flügels des North Cumberland-Hospitals in Bridgton.
    Der Blumer-Flügel war klein – nur vierzehn Krankenzimmer -, aber was ihm an Größe fehlte, machte er durch Farbe wett. Die Wände der Patientenzimmer waren in leuchtenden Primärfarben gestrichen. An der Decke des Schwesternzimmers hing ein Mobile aus Vögeln, die um eine Mittelachse herum anmutig wippten und schaukelten.
    Alan saß vor einem großen Wandbild, auf dem alle möglichen Kinderreime illustriert waren. Ein Abschnitt des Wandbildes zeigte einen Mann, der sich über einen Tisch beugte und einem kleinen, offenbar recht einfältigen Jungen, der ängstlich und fasziniert zugleich aussah, etwas entgegenstreckte. Irgend etwas an diesem Bild machte Alan betroffen, und ein Vers aus einem Kinderreim schob sich wie ein Flüstern in sein Gedächtnis.
    Simple Simon traf den Kuchenmann,
der ging zum Markt mit Kuchen.
»Simple Simon«, sagte der Kuchenmann,
»komm meine Kuchen versuchen.«
    Eine Gänsehaut überzog Alans Arme – winzige Buckel, wie Perlen von kaltem Schweiß. Er konnte nicht sagen, warum – und das erschien ihm völlig normal. Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er das Gefühl gehabt, so erschüttert, so angstvoll, so zutiefst verwirrt zu sein wie gerade jetzt. In Castle Rock ging etwas vor, das völlig außerhalb seines Begriffsvermögens lag. Das war ihm erst heute nachmittag ganz klar geworden, als alles auf einmal in die Luft zu gehen schien, aber es hatte bereits vor Tagen oder sogar einer Woche begonnen. Er wußte nicht, was es war, aber er wußte, daß Nettie Cobb und Wilma Jerzyck nur die ersten äußeren Anzeichen gewesen waren.
    Und er hatte entsetzliche Angst, daß die Dinge sich noch immer weiterentwickelten, während er hier saß – mit Simple Simon und dem Kuchenmann.
    Eine Schwester, Miss Hendrie dem kleinen Namensschild zufolge, das sie an der Brust trug, kam auf leise quietschenden Kreppsohlen den Flur entlang, suchte sich anmutig ihren Weg zwischen dem Spielzeug hindurch, mit dem der Fußboden übersät war. Als Alan angekommen war, hatte ein halbes Dutzend Kinder, einige mit Gliedmaßen in Gips oder einer Schlinge, andere mit der teilweisen Kahlköpfigkeit, die er mit Chemotherapie in Verbindung brachte, sich dort aufgehalten, Bauklötze und Autos ausgetauscht und sich freundschaftlich angeschrien. Jetzt war Abendbrotzeit, und sie waren entweder in die Cafeteria hinuntergegangen oder zurück in ihre Zimmer.
    »Wie geht es ihm?« fragte Alan Miss Hendrie.
    »Keine Veränderung.« Sie musterte Alan mit einer gelassenen Miene, in der eine Spur Feindseligkeit lag. »Er schläft. Er muß schlafen. Er hat einen schweren Schock erlitten.«
    »Was haben Sie von seinen Eltern gehört?«
    »Wir haben die Firma seines Vaters in South Paris angerufen. Er hatte heute nachmittag einen Auftrag drüben in New Hampshire zu erledigen. Soweit ich weiß, ist er auf der Heimfahrt und wird informiert, sobald er angekommen ist. Er müßte eigentlich gegen neun hier sein, aber genau läßt sich das natürlich nicht sagen.«
    »Was ist mit seiner Mutter?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Miss Hendrie. Die Feindseligkeit trat jetzt deutlicher hervor, aber sie war nicht mehr gegen Alan gerichtet. »Ich habe nicht selber angerufen. Ich weiß nur, was ich sehe – sie ist nicht da. Dieser kleine Junge hat gesehen, wie sein Bruder mit einem Gewehr Selbstmord beging, und obwohl es zu Hause passiert ist, ist die Mutter noch nicht aufgetaucht. Und nun müssen Sie mich entschuldigen – ich muß die Medikamente auf den Wagen packen.«
    »Natürlich«, murmelte Alan. Er beobachtete sie, während sie sich von ihm entfernte, dann erhob er sich von seinem Stuhl. »Miss Hendrie?«
    Sie drehte sich zu ihm um. Ihre Augen waren immer noch gelassen, aber ihre gehobenen Brauen signalisierten Verärgerung.
    »Miss Hendrie, ich muß wirklich mit Sean Rusk

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