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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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war, ließ nach. Das Gefühl, das statt dessen in ihm aufgestiegen war, war noch weniger tröstlich; eine schwer faßbare Angst; das immer stärker werdende Gefühl, daß sie in Gefahr war.
    Das Telefon läutete – und niemand nahm ab.
    Polly, ich liebe dich, und wir müssen miteinander reden. Bitte, nimm den Hörer ab, Polly. Ich liebe dich, und wir müssen miteinander reden. Bitte, nimm den Hörer ab. Polly, ich liebe dich ...
    Die Litanei spulte sich in seinem Kopf ab wie ein aufgezogenes Kinderspielzeug. Er wollte Clut noch einmal anrufen und ihn bitten, nach ihr zu sehen, bevor er irgend etwas anderes unternahm, aber er konnte es nicht. Das mochte ein schwerer Fehler sein, wenn es noch weitere Sprengstoffpäckchen gab, die darauf warteten, in Castle Rocke zu explodieren.
    Ja, aber – angenommen, Polly ist eines davon?
    Der Gedanke lockerte eine vergrabene Assoziation, aber er war nicht imstande, sie zu ergreifen, bevor sie wieder davontrieb.
    Alan senkte langsam den Hörer und schnitt ein Läuten in der Mitte ab, als er ihn wieder auf die Gabel legte.

3
     
    Polly hielt es nicht mehr aus. Sie drehte sich auf die Seite, griff nach dem Telefon – und es verstummte mitten im Läuten.
    Gut, dachte sie. Aber war es das?
    Sie lag auf dem Bett und lauschte dem Grollen des näherkommenden Donners. Es war heiß hier oben – so heiß wie Mitte Juli -, aber sie konnte die Fenster nicht öffnen, weil sie gerade eine Woche zuvor durch Dave Philips, einen der Hausbesorger der Stadt, die Sturmfenster und -türen hatte anbringen lassen. Also hatte sie die alten Jeans und das T-Shirt, die sie bei ihrem Ausflug aufs Land getragen hatte, ausgezogen und säuberlich gefaltet über den Stuhl neben der Tür gehängt. Jetzt lag sie in ihrer Unterwäsche auf dem Bett und wollte ein wenig schlafen, bevor sie wieder aufstand und duschte. Aber der Schlaf verweigerte sich.
    Das lag zum Teil an den Sirenen, in erster Linie aber an Alan; an dem, was Alan getan hatte. Sie konnte diesen grotesken Verrat an allem, was sie geglaubt und worauf sie vertraut hatte, einfach nicht begreifen, aber sie konnte ihm auch nicht entkommen. Ihre Gedanken wendeten sich etwas anderem zu (den Sirenen zum Beispiel, und daß sie sich anhörten wie das Ende der Welt), und dann war es plötzlich wieder da, wie er sie hintergangen, wie er geschnüffelt hatte. Es war, als würde man an einer empfindlichen Stelle vom splittrigen Ende eines Brettes gestochen.
    Oh, Alan, wie konntest du nur? fragte sie ihn – und sich selbst – wieder und wieder.
    Die Stimme, die darauf antwortete, überraschte sie. Es war die Stimme von Tante Ewie, und unter dem trockenen Verdrängen von Gemütsregungen, das immer ihre Art gewesen war, spürte Polly einen verstörenden, machtvollen Zorn.
    Wenn du ihm von Anfang an die Wahrheit gesagt hättest, Mädchen, dann hätte er dazu keinerlei Veranlassung gehabt.
    Polly setzte sich schnell auf. Das war in der Tat eine beunruhigende Stimme, und das Beunruhigendste daran war, daß es ihre eigene Stimme war. Tante Evvie war seit vielen Jahren tot. Es war ihr eigenes Unterbewußtsein, das Tante Evvies Stimme annahm, um seinem Zorn Ausdruck zu geben, ungefähr so, wie ein schüchterner Bauchredner seine Puppe benutzt, um ein hübsches Mädchen zu bitten, daß es mit ihm ausgeht, und...
    Hör auf damit, Mädchen – habe ich dir nicht gesagt, daß diese Stadt voll ist von Gespenstern? Vielleicht bin ich es wirklich.
    Polly stieß einen wimmernden, verschreckten Schrei aus und preßte dann die Hand auf den Mund.
    Aber vielleicht auch nicht. Letzten Endes spielt das auch keine große Rolle, nicht wahr? Die Frage ist die, Trisha: Wer hat zuerst gesündigt? Wer hat zuerst etwas verheimlicht? Wer warf den ersten Stein?
    »Das ist nicht fair!« schrie Polly in das heiße Zimmer und betrachtete dann ihr eigenes, verängstigtes, großäugiges Bild im Spiegel. Sie wartete darauf, daß die Stimme von Tante Evvie wiederkam, und als sie es nicht tat, legte sie sich wieder nieder.
    Vielleicht hatte sie tatsächlich zuerst gesündigt, wenn man das Unterdrücken eines Teils der Wahrheit und das Aussprechen von ein paar harmlosen Lügen als Sünde bezeichnen konnte. Vielleicht hatte sie tatsächlich etwas verheimlicht. Aber gab das Alan das Recht, eine Untersuchung über sie anzustellen, auf die Art, wie ein Polizist eine Untersuchung über einen Straftäter anstellt? Gab es ihm das Recht, ihren Namen auf eine polizeiliche Anfrage zu setzen – oder eine

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