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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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leuchtend gelben Ford Econoline-Transporter, der auf den Seitenflächen die Aufschrift WPTD CHANNEL 5 ACTION NEWS trug, aber sie sah Buster Keeton nicht, der sie durch das Fenster auf der Fahrerseite unverwandt anstarrte. Wahrscheinlich hätte sie ihn ohnehin nicht erkannt; Buster war sozusagen ein neuer Mensch geworden. Und selbst wenn sie ihn gesehen und erkannt hätte, wäre das für Cora vermutlich bedeutungslos gewesen. Sie hatte ihre eigenen Probleme und Sorgen. Vor allem hatte sie ihre eigene Wut. Und nichts davon betraf ihren toten Sohn.
    In der Hand hielt Cora Rusk eine zerbrochene Sonnenbrille.
    Sie hatte das Gefühl gehabt, als würde die Polizei sie bis in alle Ewigkeit verhören – oder jedenfalls so lange, bis sie verrückt wurde. Verschwindet! wollte sie ihnen zuschreien. Hört auf, mir diese blöden Fragen über Brian zu stellen! Verhaftet ihn, wenn er etwas angestellt hat, sein Vater wird es in Ordnung bringen. Sachen in Ordnung bringen ist alles, wozu er taugt, aber laßt mich in Ruhe! Ich habe eine Verabredung mit The King, und ich kann ihn nicht warten lassen!
    Einmal hatte sie gesehen, daß Sheriff Pangborn an der Tür zwischen Küche und Hintertreppe lehnte, mit über der Brust verschränkten Armen, und da war sie nahe daran gewesen, alles herauszustammeln, in dem Glauben, daß er es verstehen würde. Er war nicht wie die anderen – er gehörte in die Stadt, er würde über Needful Things Bescheid wissen, er würde dort selbst etwas gekauft haben, er würde es verstehen.
    Nur daß genau in diesem Augenblick Mr. Gaunt in ihrem Kopf zu sprechen begonnen hatte, so gelassen und vernünftig wie immer. Nein, Cora – reden Sie nicht mit ihm. Er würde es nicht verstehen. Er ist nicht so wie Sie. Er ist kein Mann, der einen guten Kauf zu würdigen weiß. Sagen Sie ihnen, daß Sie ins Krankenhaus zu Ihrem anderen Sohn fahren wollen. Damit werden Sie sie los, zumindest für eine Weile. Danach spielt es keine Rolle mehr.
    Und genau das hatte sie ihnen gesagt, und es hatte Wunder gewirkt. Sie hatte es sogar geschafft, ein oder zwei Tränen herauszuquetschen, wobei sie nicht an Brian dachte, sondern daran, wie traurig Elvis sein mußte, wenn er ohne sie in Graceland herumwanderte. Armer, verlassener King!
    Sie waren alle gegangen, bis auf die zwei oder drei, die draußen in der Garage waren. Cora wußte nicht, was sie dort taten oder was sie überhaupt da draußen wollten, und es interessierte sie auch nicht. Sie riß ihre magische Sonnenbrille vom Tisch und eilte nach oben. Sobald sie sich in ihrem Zimmer befand, schlüpfte sie aus ihrem Kleid, legte sich aufs Bett und setzte die Sonnenbrille auf.
    Und schon war sie wieder in Graceland. Erleichterung, Vorfreude und eine erstaunliche Geilheit ergriffen von ihr Besitz.
    Sie fegte die geschwungene Treppe empor, kühl und nackt, in die Halle im Obergeschoß, dekoriert mit Dschungelteppichen und fast so breit wie eine Schnellstraße. Sie ging auf die geschlossene Doppeltür am entgegengesetzten Ende zu, und ihre bloßen Füße flüsterten im hohen Flor des Teppichs. Sie sah, wie sich ihre Finger ausstreckten und sich um die Klinke schlossen. Sie stieß die Tür auf und trat in das Schlafzimmer von The King, einen Raum, der ganz in Schwarz und Weiß gehalten war – schwarze Wände, ein weißer Noppenteppich, schwarze Vorhänge an den Fenstern, weißer Besatz auf der schwarzen Bettdecke -, ausgenommen die Decke, die mitternachtsblau gestrichen war mit Tausenden von funkelnden elektrischen Sternen.
    Dann blickte sie auf das Bett, und das war der Moment, in dem das Entsetzen hereinbrach.
    The King war auf dem Bett, aber The King war nicht allein.
    Auf ihm saß, ihn reitend wie ein Pony, Myra Evans. Sie hatte den Kopf gedreht und starrte Cora an, als sie die Tür öffnete. The King schaute weiterhin nur Myra an, mit seinen schläfrigen, wunderschönen blauen Augen.
    »Myra!« hatte Cora gerufen. »Was machst du hier?«
    »Nun«, sagte Myra selbstgefällig. »Staubsaugen tue ich sicher nicht.«
    Cora rang keuchend nach Atem, völlig fassungslos. »Also – also – also, das ist doch nicht zu fassen!«
    »Dann verschwinde und faß es«, sagte Myra und pumpte schneller mit den Hüften, »und wenn du schon einmal dabei bist, nimm auch gleich diese blöde Sonnenbrille ab. Sie sieht albern aus. Verschwinde hier. Sieh zu, daß du wieder heimkommst nach Castle Rock. Wir sind beschäftigt, stimmt’s, El?«
    »Recht hast du, Liebling«, sagte The King. »So beschäftigt

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