In einer kleinen Stad
Castle Rock lag, rumpelte und grollte Donner.
Er schloß die Fahrertür des Kombis auf, stieg ein und zog das Mikrofon aus seiner Halterung. »Wagen Eins an Basis. Bitte kommen.«
Die einzige Antwort war ein Geknister von hirnlosen statischen Geräuschen.
Das verdammte Gewitter.
Vielleicht hat der Butzemann es bestellt , flüsterte eine Stimme von irgendwo tief in ihm. Alan lächelte mit zusammengepreßten Lippen.
Er versuchte es noch einmal mit demselben Ergebnis, dann versuchte er, die Staatspolizei in Oxford zu erreichen. Sie kam laut und deutlich. Die Zentrale teilte ihm mit, daß in der Umgebung von Castle Rock ein heftiges Gewitter tobte und die Verbindung stark gestört war. Sogar die Telefone schienen nur zu funktionieren, wenn sie Lust dazu hatten.
»Bitte sehen Sie zu, daß Sie zu Henry Payton durchkommen, und sagen Sie ihm, er möchte einen Mann namens Leland Gaunt in Gewahrsam nehmen. Als wichtigen Zeugen; das genügt fürs erste. Der Name ist Gaunt , mit G wie George. Haben Sie verstanden? Ten-four.«
»Ich habe verstanden, Sheriff. Gaunt, mit G wie George. Ten-four.«
»Sagen Sie ihm, daß ich glaube, Gaunt könnte der Anstifter der Morde an Nettie Cobb und Wilmy Jerzyck sein. Ten-four.«
»Verstanden. Ten-four.«
»Ten-forty, over and out.«
Er hakte das Mikrofon wieder ein, startete den Motor und machte sich auf die Rückfahrt nach Castle Rock. Am Stadtrand von Bridgton steuerte er auf den Parkplatz eines Red Apple-Ladens und versuchte, in seinem Büro anzurufen. Er bekam ein zweimaliges Klicken, und dann teilte eine Tonbandstimme ihm mit, der Anschluß wäre zur Zeit gestört.
Er legte den Hörer auf und kehrte zu seinem Wagen zurück. Diesmal rannte er tatsächlich. Bevor er den Parkplatz verließ und wieder auf die Route 117 einbog, schaltete er sein Blinklicht ein und setzte es aufs Wagendach. Nach ungefähr einer halben Meile hatte er den rüttelnden, protestierenden Ford Kombi dazu gebracht, hundertzwanzig zu fahren.
11
Ace Merrill und die volle Dunkelheit kehrten gemeinsam nach Castle Rock zurück.
Er steuerte den Chevy Celebrity über die Castle Stream Bridge, während am Himmel über ihm der Donner hin und her rollte und Blitze in die hilflose Erde hinabzuckten. Er fuhr mit offenen Fenstern; noch regnete es nicht, und die Luft war dick wie Sirup.
Er war schmutzig und müde und wütend. Trotz des Briefes war er zu drei weiteren Stellen auf der Karte gefahren, nicht imstande zu glauben, was passiert war, nicht imstande zu glauben, daß etwas dergleichen passiert sein konnte. An jeder der Stellen hatte er einen flachen Stein gefunden und eine vergrabene Dose. Zwei davon hatten weitere Packen schmutziger Rabattmarken enthalten. Die dritte, in dem Sumpfgelände hinter der Strout-Farm, hatte nichts enthalten außer einem alten Kugelschreiber. Auf dem Griff des Kugelschreibers war eine Frau zu sehen, mit einer Frisur im Stil der vierziger Jahre. Außerdem trug sie einen Badeanzug im Stil der vierziger Jahre. Wenn man den Kugelschreiber senkrecht hielt, verschwand der Badeanzug.
Feiner Schatz.
Ace war mit Höchstgeschwindigkeit nach Castle Rock zurückgefahren, mit brennenden Augen und bis zu den Knien mit Sumpfschlamm bespritzten Jeans, und zwar aus einem einzigen Grund: um Alan Pangborn umzubringen. Danach würde er zusehen, daß er so schnell wie möglich zur Westküste kam. Das hätte er schon lange vorher tun sollen. Vielleicht würde er einen Teil des Geldes aus Pangborn herausholen; vielleicht auch überhaupt nichts. So oder so, eines stand fest: dieser Bastard würde sterben, und er würde auf die harte Tour sterben.
Immer noch drei Meilen von der Brücke entfernt wurde ihm klar, daß er keine Waffe hatte. Er hatte vorgehabt, sich eine aus der Kiste in der Garage in Cambridge zu nehmen, aber da hatte sich das verdammte Bandgerät in Bewegung gesetzt und ihm einen Mordsschrecken eingejagt. Aber er wußte, wo sie sich befanden.
O ja.
Er überquerte die Brücke – und dann hielt er an der Kreuzung von Main Street und Watermill Lane an, obwohl er Vorfahrt hatte.
»Was zum Teufel?« murmelte er.
Die Lower Main Street war ein Chaos von Streifenwagen der Staatspolizei, flackernden Blaulichtern, Übertragungswagen des Fernsehens und kleinen Grüppchen von Leuten. Der größte Teil des Trubels schien sich vor dem Gebäude der Stadtverwaltung abzuspielen. Es sah fast so aus, als hätten die Stadtväter beschlossen, aus einer Laune des Augenblicks heraus ein Straßenfest zu
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