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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Gaunt ihr mit.
    ja, erwiderte Tante Ewies Stimme. Ich glaube, er meint es ernst, Trisha. Er hat immer gern mit Damen zu tun gehabt, die stolz auf sich sind, aber weißt du was? Ich glaube nicht, daß er für diejenigen, die erkennen, daß Hochmut vor dem Fall kommt, viel Verwendung hat. Ich glaube, jetzt ist es an der Zeit, daß du dich ein für allemal entscheidest, wie du wirklich heißt.
    Sie ergriff den Umschlag, ignorierte ein weiteres warnendes Zucken in ihren Händen und betrachtete die säuberlich getippte Adresse. Dieser Brief – dieser angebliche Brief, diese angebliche Fotokopie – war an >Miss Patricia Chalmers< adressiert.
    »Nein«, flüsterte sie. »Falsch. Falscher Name .« Ihre Hand schloß sich langsam um den Brief und zerknüllte ihn. Ein dumpfer Schmerz erfüllte ihre Faust, aber Polly ignorierte ihn. Ihre Augen glänzten fiebrig. »Ich war immer Polly in San Francisco – ich war Polly für jedermann, sogar für Child Welfare!«
    Das war ein Teil ihres Bemühens gewesen, einen klaren Schlußstrich zu ziehen unter jeden Aspekt ihres alten Lebens, von dem sie sich einbildete, daß es sie so sehr verletzt hatte; nicht einmal in den dunkelsten Nächten hatte sie sich gestattet, davon zu träumen, daß sie sich den größten Teil der Wunden selbst beigebracht hatte. In San Francisco hatte es keine Patricia oder Trisha gegeben; nur eine Polly. Sie hatte alle drei Anträge auf Unterstützung für unmündige Kinder so ausgefüllt und auch so unterschrieben – mit Polly Chalmers.
    Wenn Alan tatsächlich an die Leute von Child Welfare in San Francisco geschrieben hätte, dann hätte er vielleicht ihren Namen mit Patricia angegeben, aber hätte dann nicht jedes Nachforschen in den Unterlagen eine Fehlanzeige ergeben? Ja, natürlich. Nicht einmal die Anschriften hätten übereingestimmt, denn diejenige, die sie vor so langer Zeit in den für LETZTER WOHNSITZ vorgesehenen Raum eingetragen hatte, war die ihrer Eltern gewesen, und die hatten am anderen Ende der Stadt gewohnt.
    Angenommen, Alan hat beide Namen angegeben? Polly und Patricia?
    Und wenn er es getan hatte? Sie wußte genug über die Arbeitsweise von Regierungsbürokraten, um überzeugt zu sein, daß es keine Rolle spielte, welchen Namen oder welche Namen Alan angegeben hatte; wenn sie an sie schrieben, würde der Brief an den Empfänger und an die Adresse gehen, die sie in ihren Akten hatten. Polly hatte eine Freundin in Oxford, die von der University of Maine immer noch unter ihrem Mädchennamen angeschrieben wurde, obwohl sie schon seit zwanzig Jahren verheiratet war.
    Aber dieser Umschlag war an Patricia Chalmers adressiert, nicht an Polly Chalmers. Und wer in Castle Rock hatte sie erst heute mit Patricia angeredet?
    Die gleiche Person, die gewußt hatte, daß Nettie Cobb in Wirklichkeit Netitia Cobb hieß. Ihr guter Freund Leland Gaunt.
    Diese Geschichte mit den Namen ist interessant , sagte Tante Evvie plötzlich, aber sie ist nicht das eigentlich Wichtige. Das eigentlich Wichtige ist der Mann – dein Mann. Er ist doch dein Mann, nicht wahr? Schon jetzt. Du weißt, daß er dich nie so hintergehen würde, wie er es diesem Brief zufolge getan haben soll. Es spielt keine Rolle, welcher Name daraufstand oder wie überzeugend er sich angehört haben mag – das weißt du, nicht wahr?
    »Ja«, flüsterte sie. »Ich kenne ihn.«
    Hatte sie wirklich irgend etwas davon geglaubt? Oder hatte sie ihre Zweifel am Inhalt dieses absurden, unglaublichen Briefes nur beiseitegeschoben, weil sie Angst – sogar panisches Entsetzen – davor gehabt hatte, daß Alan die widerwärtige Natur des azka erkennen und sie zwingen würde, zwischen dem Ding und ihm zu wählen?
    »O nein – das ist zu simpel«, flüsterte sie. »Du hast es wirklich geglaubt. Nur einen halben Tag lang, aber du hast es geglaubt. O Jesus! O Jesus, was habe ich getan?«
    Sie warf den zerknüllten Brief auf den Fußboden mit der angewiderten Miene einer Frau, die gerade begriffen hat, daß sie eine tote Ratte in der Hand hält.
    Ich habe ihm nicht gesagt, weshalb ich wütend war; habe ihm keine Gelegenheit zur Erklärung gegeben; ich habe es einfacheinfach geglaubt. Warum? Warum, in Gottes Namen?
    Sie wußte es natürlich. Es war die plötzliche, beschämende Angst gewesen, daß ihre falsche Darstellung die Ursache von Keltons Tod entdeckt, das Elend ihrer Jahre in San Francisco geargwöhnt, ihre Mitschuld am Tod ihres Kindes erwogen werden konnten – und all das von dem einzigen Mann in

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