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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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war der Mann, der versucht hatte, Norris zu erschießen, der Mann, der Buster Keeton das Gehirn weggepustet hatte. Obwohl er ihn nie kennengelernt hatte, war Norris ziemlich sicher, daß er Ace Merrill vor sich hatte, den bösen Buben der Stadt.
    »Himmel, Norris! Das ist Alan! Was geht da vor?«
    Wer immer der Kerl ist, er kann nicht hören, daß wir kommen, dachte Norris. Nicht bei all dem Getöse. Wenn Alan nicht zu uns herüberschaut, diesem Scheißkerl keinen Wink gibt...
    Norris’ Dienstrevolver lag auf seinem Schoß. Er öffnete das Fenster an der Beifahrerseite, dann hob er die Waffe. Hatte sie vorhin einen Zentner gewogen? Jetzt wog sie mindestens das Doppelte.
    »Fahren Sie langsam, Seat – so langsam, wie Sie können. Und wenn ich Sie mit dem Fuß antippe, halten Sie an. Sofort. Halten Sie sich nicht mit Überlegen auf.«
    »Mit dem Fuß ? Wie meinen Sie das mit dem F...«
    »Halten Sie die Klappe, Seat«, sagte Norris matt und dennoch freundlich. »Tun Sie nur, was ich gesagt habe.«
    Norris drehte sich um, schob Kopf und Schultern durchs Fenster und ergriff die Stange, an der die Blinklichter des Streifenwagens befestigt waren. Langsam, mühselig zog er sich hoch, bis er im Fenster saß. Seine Schulter heulte vor Qual, und frisches Blut durchtränkte sein Hemd. Jetzt waren sie knapp dreißig Meter von den drei auf der Straße stehenden Leuten entfernt, und er konnte über das Dach hinweg auf den Mann zielen, der die Frau hielt. Er konnte nicht schießen, jedenfalls jetzt noch nicht, weil er sie dann wahrscheinlich getroffen hätte wie ihn. Aber wenn sich einer von ihnen bewegte...
    Sie waren so dicht heran, wie Norris es riskieren zu können glaubte. Er tippte Seats Bein mit dem Fuß an. Seat brachte den Wagen auf der geröllübersäten Straße sanft zum Stehen.
    Bewegt euch, betete Norris. Einer von euch muß sich bewegen, einerlei wer, und es braucht auch nur ein Stückchen zu sein, aber bitte, bewegt euch.
    Er bemerkte nicht, daß die Tür von Needful Things geöffnet wurde; er konzentrierte sich voll und ganz auf den Mann mit der Waffe und der Geisel. Er sah auch nicht, daß Mr. Leland Gaunt aus seinem Laden herauskam und unter der grünen Markise stehenblieb.

13
     
    »Das Geld gehörte mir, Sie Schwein!« schrie Ace Alan an, »und wenn Sie diese Schlampe in einem Stück wiederhaben wollen, dann sollten Sie mir schleunigst sagen, was zum Teufel Sie damit gemacht haben!«
    Alan war aus dem Kombi ausgestiegen. »Ace, ich weiß wirklich nicht, wovon Sie reden.«
    »Falsche Antwort!« kreischte Ace. »Sie wissen genau, was ich meine! Pops Geld! In den Dosen! Wenn Sie das Weibsstück wiederhaben wollen, dann sagen Sie mir ganz schnell, was Sie damit gemacht haben! Dieses Angebot gilt nur kurze Zeit, Sie Bastard!«
    Aus dem Augenwinkel heraus nahm Alan ein Stück die Main Street hinunter eine Bewegung wahr. Es war ein Streifenwagen, und er glaubte, daß es einer von seinen war. Aber er wagte nicht, genauer hinzuschauen. Wenn Ace wußte, daß ihn jemand im Visier hatte, würde er Polly erschießen. Er würde es schneller tun, als man brauchte, um einmal zu blinzeln.
    Also richtete er seinen Blick auf Polly. Ihre dunklen Augen waren erschöpft und schmerzerfüllt – aber sie waren nicht verängstigt.
    Alan spürte, wie die Vernunft in ihn zurückkehrte. Vernunft war eine merkwürdige Sache. Wenn sie einem geraubt wurde, spürte man es nicht. Man spürte es nicht, wenn sie einen verließ. Man konnte sie nur ganz begreifen, wenn sie zurückkehrte wie ein seltener Wildvogel, der in einem lebte und sang, nicht auf Befehl, sondern aus freien Stücken.
    »Er hat einen Fehler gemacht«, sagte er ruhig zu Polly. »Gaunt hat einen Fehler gemacht auf dem Band.«
    »Was reden Sie du für einen Scheiß?« Ace’s Stimme war brüchig, high von Koks. Er bohrte die Mündung der Automatik in Pollys Schläfe.
    Von ihnen allen sah nur Alan, daß sich die Tür von Needful Things verstohlen öffnete, und auch er hätte es nicht gesehen, hätte er den Blick nicht so entschlossen von dem Streifenwagen abgewendet, der auf der Straße herangekrochen kam. Nur Alan sah – geisterhaft, am äußersten Rande seines Blickfeldes – die hochgewachsene Gestalt, die herauskam, eine Gestalt, die kein Sportjackett trug und keinen Hausrock, sondern einen schwarzen Tuchmantel.
    Einen Reisemantel.
    In einer Hand hielt Mr. Gaunt eine altmodische Reisetasche – eine jener Taschen, in denen einst Hausierer oder reisende Handelsleute ihre

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