In einer kleinen Stad
Fensterscheiben. Wetterfahnen, die bisher stetig nach Nordosten gezeigt hatten, begannen wie irre herumzuwirbeln. Etliche wurden von ihren Pfosten gerissen, und am nächsten Tag entdeckte man, daß sich eine von ihnen wie der Pfeil eines marodierenden Indianers tief in die Tür der Baptistenkirche gebohrt hatte.
Auf der Castle Avenue, wo sich das Schlachtenglück eindeutig zugunsten der Katholiken gewendet hatte, endeten die Kämpfe. Henry Payton stand neben seinem Streifenwagen und starrte auf den Feuerball im Süden. Blut rann ihm über die Wangen wie Tränen. Rev. William Rose setzte sich auf, sah das monströse Glühen am Horizont und begann zu argwöhnen, daß das Ende der Welt gekommen war und es sich bei dem, was er da sah, um den Stern des Jüngsten Gerichts handelte. Father John Brigham taumelte wie ein Betrunkener auf ihn zu. Seine Nase war stark nach links verbogen und sein Mund eine blutige Masse. Er dachte daran, Rev. Roses Kopf wegzukicken wie einen Fußball; statt dessen half er ihm auf die Beine.
Auf dem Castle View schaute Andy Clutterbuck nicht einmal auf. Er saß auf der Vortreppe des Potter-Hauses, weinte und hielt seine tote Frau in den Armen. Er war zwar noch zwei Jahre von dem betrunkenen Sturz durch das Eis des Castle Lake entfernt, bei dem er umkommen sollte, aber es war das Ende des letzten nüchternen Tages in seinem Leben.
In der Dell’s Lane hing Sally Ratcliffe im Einbauschrank ihres Schlafzimmers. An der Seitennaht ihres Kleides krochen Insekten im Gänsemarsch abwärts. Sally hatte gehört, was mit Lester passiert war; sie hatte begriffen, daß sie daran irgendwie schuld war (oder glaubte , es begriffen zu haben, was letzten Endes auf dasselbe hinauslief), und sich mit dem Gürtel ihres Bademantels erhängt. Eine ihrer Hände steckte tief in der Tasche ihres Kleides. Die Hand umklammerte den Holzsplitter. Er war schwarz vor Alter und schwammig vor Fäulnis. Die Klopfkäfer, von denen er befallen gewesen war, verließen ihn auf der Suche nach einer neuen, sicheren Behausung. Sie erreichten den Saum von Sallys Kleid und begannen an einem ihrer baumelnden Beine zum Fußboden hinabzuwandern.
Ziegelsteine wirbelten durch die Luft und verwandelten selbst die Gebäude in einiger Entfernung in etwas, das aussah, als hätte es unter Artilleriebeschuß gelegen. Häuser, die näher dabeistanden, sahen aus wie Käsereiben oder stürzten vollständig ein.
Der Abend brüllte wie ein Löwe, dem ein vergifteter Speer in der Kehle steckte.
12
Seat Thomas, der den Streifenwagen fuhr, in den Norris unbedingt hatte einsteigen wollen, spürte, wie das Heck des Wagens hochging, als wäre es von der Hand eines Riesen angehoben worden. Einen Augenblick später stand der Wagen unter einem Hagel von Ziegelbrocken. Zwei oder drei durchschlugen den Kofferraum. Einer knallte aufs Dach. Ein weiterer landete in einer Wolke von Ziegelstaub mit der Farbe alten Blutes auf der Kühlerhaube und rutschte dann herunter.
»Großer Gott, Norris, die ganze Stadt fliegt in die Luft!« schrie Seat schrill.
»Weiterfahren«, sagte Norris. Er spürte ein Brennen in sich; Schweiß stand in großen Tropfen auf seinem geröteten Gesicht. Er nahm an, daß Ace ihn nicht tödlich verwundet hatte, daß er ihn beide Male nur gestreift hatte; dennoch ging etwas Grauenhaftes in ihm vor. Er spürte, wie sich etwas Übles durch sein Fleisch fraß, und immer wieder verschwamm alles vor seinen Augen. Er klammerte sich ingrimmig ans Bewußtsein. Je höher sein Fieber stieg, desto stärker wurde die Überzeugung, daß Alan ihn brauchte und daß er, wenn er sehr viel Glück hatte und sehr tapfer war, vielleicht doch noch imstande sein würde, das Unheil zu sühnen, das er mit dem Zerfetzen von Hugh Priests Reifen ausgelöst hatte.
Vor sich sah er eine kleine Gruppe von Gestalten auf der Straße, in der Nähe der grünen Markise von Needful Things. Die aus den Ruinen des Gebäudes der Stadtverwaltung emporlodernde Feuersäule ließ die Gestalten aussehen wie Schauspieler auf der Bühne. Er konnte Alans Kombi sehen und Alan selbst, der aus ihm ausstieg. Vor ihm stand, mit dem Rücken zu dem Streifenwagen, in dem Norris Ridgewick und Seaton Thomas sich näherten, ein Mann mit einer Waffe. Er hielt eine Frau vor sich wie einen Schild. Norris konnte nicht genug von der Frau sehen, um zu erkennen, um wen es sich handelte; aber der Mann, der sie als Geisel genommen hatte, trug die zerfetzten Überreste eines Harley-Davidson-T-Shirts. Es
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