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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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war es wieder 1955, er hatte gerade seinen Führerschein bekommen und fuhr im ’53er Ford Cabrio seines Vaters zu einem Spiel der Western Maine Schoolboy Championship – Castle Rock gegen Oxford Hills. Es war ein ungewöhnlich warmer Novembertag, warm genug, um das alte Kabrio aus dem Stall zu holen und das Verdeck zurückzuklappen (das heißt, wenn man eine Horde heißblütiger Jungen war, bereit, willens und imstande, ein bißchen Rabatz zu machen); sie hatten zu sechst in dem Wagen gesessen. Peter Doyon hatte eine Flasche Log Cabin-Whiskey mitgebracht, Perry Como war im Radio, Hugh Priest saß hinter dem weißen Lenkrad, und an der Antenne flatterte ein langer, üppiger Fuchsschwanz, genau so einer wie der, den er jetzt im Schaufenster dieses Ladens betrachtete.
    Er erinnerte sich, daß er die Flasche abgelehnt hatte, als sie auf ihrer Runde zu ihm kam. Er fuhr, und man trank nicht, während man fuhr, denn man war verantwortlich für das Leben anderer. Und an noch etwas erinnerte er sich: an die Gewißheit, daß dies die schönste Stunde des schönsten Tages in seinem Leben war.
    Die Erinnerung überraschte und schmerzte, weil sie so klar war und alle Sinne mit einbezog – das rauchige Aroma brennenden Laubs, die in den Reflektoren der Leitplanke funkelnde Novembersonne; und jetzt, wo er den Fuchsschwanz im Schaufenster von Needful Things betrachtete, kam ihm der Gedanke, daß es tatsächlich der schönste Tag in seinem Leben gewesen war, einer der letzten Tage, bevor ihn der Suff in seinen geschmeidigen, gummiartigen Griff bekam und ihn in eine üble Variante von König Midas verwandelte: seither schien sich alles, was er angefaßt hatte, in Scheiße verwandelt zu haben.
    Plötzlich dachte er: Ich könnte mich ändern.
    Eine Idee von faszinierender Klarheit.
    Ich könnte nochmal von vorn anfangen.
    War so etwas möglich?
    Ja, ich glaube, manchmal geht es. Ich könnte diesen Fuchsschwanz kaufen und ihn an der Antenne meines Buick befestigen.
    Aber sie würden lachen. Die Kerle würden lachen.
    Welche Kerle? Henry Beaufort? Dieser kleine Scheißer Bobby Dugas? Und wenn schon. Kauf diesen Fuchsschwanz, knote ihn an die Antenne und fahr los...
    Wohin?
    Nun, wie wär’s für den Anfang mit diesem Donnerstagabend-Treffen der Anonymen Alkoholiker drüben in South Paris?
    Einen Augenblick lang verblüffte und erregte ihn diese Möglichkeit, ungefähr so, wie der Anblick des Schlüssels, den ein nachlässiger Wärter im Schloß der Zellentür stekkengelassen hat, einen Gefangenen mit einer langjährigen Strafe verblüffen und erregen würde. Einen Augenblick lang konnte er tatsächlich sehen, wie er das tat, zuerst eine weiße Marke bekam, dann eine rote, dann eine blaue, und wie er von Tag zu Tag von Monat zu Monat nüchtern blieb. Kein Mellow Tiger mehr. Schade. Aber auch keine Zahltage mehr mit der Angst, daß in dem Umschlag außer seinem Scheck auch das Entlassungsschreiben steckte, und das war entschieden das Schlimmste, das ihm passieren konnte.
    In diesem Augenblick, in dem er vor dem Schaufenster von Needful Things stand und den Fuchsschwanz betrachtete, sah Hugh eine Zukunft. Zum erstenmal seit Jahren sah er eine Zukunft, und dieser wunderschöne orangefarbene Fuchsschwanz mit seiner weißen Spitze schwebte durch sie hindurch wie ein Schlachtenbanner.
    Dann brach die Realität wieder über ihn herein, und die Realität roch nach Regen und feuchter, schmutziger Kleidung. Für ihn würde es keinen Fuchsschwanz geben, keine Treffen der Anonymen Alkoholiker, keine Marken, keine Zukunft. Er war einundfünfzig Scheißjahre alt, und mit einundfünfzig war man zu alt für Zukunftsträume. Mit einundfünfzig mußte man nur noch rennen, um der Lawine der eigenen Vergangenheit zu entkommen.
    Aber wenn jetzt Geschäftszeit gewesen wäre, hätte er trotzdem einen Versuch unternommen. Ganz bestimmt hätte er das. Er wäre hineingegangen, in voller Lebensgröße, und hätte gefragt, was dieser Fuchsschwanz im Schaufenster kosten sollte. Aber es war zehn Uhr abends, die Main Street war verschlossen wie der Keuschheitsgürtel einer Eiskönigin, und wenn er morgen früh aufwachte mit dem Gefühl, als hätte ihm jemand einen Eispickel zwischen die Augen gerammt, dann würde er diesen herrlichen Fuchsschwanz und seine leuchtende rötlichbraune Farbe wieder vergessen haben.
    Dennoch verweilte er noch einen Moment länger, ließ schmutzige, schwielige Finger über das Glas gleiten wie ein Kind vor einem Spielzeuggeschäft. In den

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