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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Winkeln seines Mundes regte sich ein kleines Lächeln. Es war ein sanftes Lächeln, und auf Hugh Priest Gesicht wirkte es fehl am Platze. Dann hatte irgendwo oben in Castle View ein Wagen ein paar Fehlzündungen, die sich in der regennassen Luft anhörten, als würde ein Gewehr abgefeuert, und Hugh fand schnell wieder zu sich selbst zurück.
    Scheiß drauf. Was zum Teufel bildest du dir eigentlich ein?
    Er wendete sich von dem Schaufenster ab und drehte sein Gesicht in die Richtung, in der sein Zuhause lag – wenn man die Zweizimmer-Bude mit dem angebauten Holzschuppen, in der er wohnte, ein Zuhause nennen konnte. Als er unter der Markise hindurchging, schaute er auf die Tür – und blieb abermals stehen.
    Auf dem Schild, das daran hing, stand natürlich
    GEÖFFNET
    Wie ein Mann in einem Traum streckte Hugh die Hand aus und probierte den Knauf. Er ließ sich mühelos drehen. Über seinem Kopf bimmelte ein silbernes Glöckchen. Das Geräusch schien aus unvorstellbarer Ferne zu kommen.
    Ein Mann stand in der Mitte des Ladens. Er wischte mit einem Staubwedel über die Oberfläche einer Vitrine und summte. Als das Glöckchen bimmelte, wendete er sich Hugh zu. Er schien nicht im mindesten überrascht, an einem Mittwochabend um zehn Minuten nach zehn jemanden auf seiner Schwelle stehen zu sehen. Das einzige, was Hugh in diesem Moment der Verwirrung an diesem Mann auffiel, waren seine Augen – sie waren so schwarz wie die eines Indianers.
    »Sie haben vergessen, Ihr Schild umzudrehen, Mann«, hörte Hugh sich sagen.
    »Keineswegs«, erwiderte der Mann höflich. »Ich schlafe nicht gut, und an manchen Abenden komme ich dann auf die Idee, den Laden noch einmal zu öffnen. Schließlich weiß man nie, wann ein Mann wie Sie vorbeikommt – und irgend etwas entdeckt, das er gern haben möchte. Wollen Sie nicht hereinkommen und sich umsehen?«
    Hugh Priest kam herein und machte die Tür hinter sich zu.

7
     
    »Da ist ein Fuchsschwanz...« setzte Hugh an, dann mußte er abbrechen, sich räuspern und von vorn anfangen. Die Worte waren nicht mehr gewesen als ein heiseres, unverständliches Gemurmel. »Da ist ein Fuchsschwanz im Schaufenster.«
    »Ja«, sagte der Besitzer. »Ein Prachtstück, nicht wahr?« Jetzt hielt er den Staubwedel vor sich, und seine indianerschwarzen Augen musterten Hugh interessiert über das Federbüschel hinweg, das die untere Hälfte seines Gesichtes verdeckte. Den Mund des Mannes konnte Hugh nicht sehen, aber ihm kam der Gedanke, daß er lächelte. Gewöhnlich bereitete es ihm Unbehagen, wenn Leute – vor allem Leute, die er nicht kannte – ihn anlächelten. Dann hatte er das Gefühl, zuschlagen zu müssen. Heute abend jedoch schien es ihm nichts auszumachen. Vielleicht nur deshalb, weil er noch immer halb blau war.
    »Ja«, pflichtete Hugh ihm bei. »Es ist ein Prachtstück. Mein Dad hatte ein Kabrio mit genau so einem Fuchsschwanz an der Antenne, damals, als ich noch ein Kind war. In diesem kleinen Drecksnest gibt es eine Menge Leute, die nicht glauben würden, daß ich jemals ein Kind war, aber ich war es. Genau wie alle anderen Leute auch.«
    »Natürlich.« Die Augen des Mannes blickten nach wie vor in die von Hugh, und etwas überaus Seltsames passierte – sie schienen größer zu werden. Hugh war offensichtlich nicht imstande, seinen Blick von ihnen abzuwenden. Zuviel direkter Augenkontakt war auch etwas, was ihm das Gefühl eingab, zuschlagen zu müssen. Aber auch das schien heute abend völlig in Ordnung zu sein.
    »Damals dachte ich, dieser Fuchsschwanz wäre so ziemlich die coolste Sache auf der Welt.«
    »Natürlich.«
    »Cool - das war das Wort, das wir damals benutzten. Nicht so einen Scheiß wie super . Oder geil - ich habe keine Ahnung, was das bedeuten soll. Sie etwa?«
    Aber der Besitzer von Needful Things schwieg; er stand nur da und musterte Hugh Priest mit seinen schwarzen Indianeraugen über den Federn seines Staubwedels.
    »Auf jeden Fall möchte ich ihn kaufen. Kann ich ihn haben?«
    »Natürlich«, sagte Leland Gaunt zum drittenmal.
    Hugh empfand Erleichterung und ein plötzliches, überwältigendes Glücksgefühl. Plötzlich war er ganz sicher, daß alles in Ordnung kommen würde – alles. Das war total verrückt; er schuldete so ziemlich jedermann in Castle Rock und den umliegenden drei Städten Geld, er hatte in den letzten sechs Monaten täglich damit rechnen müssen, seinen Job zu verlieren, sein Buick lag in den letzten Zügen und wurde nur noch von Gebeten

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