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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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nachlassen. Wenn es mir bis Montag nicht besser geht, suche ich ihn auf. Aber er kann auch nicht mehr tun, als Rezepte auszuschreiben. Ich will nicht zum Junkie werden, wenn es sich vermeiden läßt, Alan.«
    »Aber...«
    »Das reicht«, sagte sie. »Das reicht fürs erste, okay?«
    »Okay«, sagte er ein wenig widerstrebend.
    »Lies den Brief. Er ist sehr liebenswürdig – und irgendwie nett.«
    Er öffnete den Verschluß ihrer Handtasche und sah einen schmalen Umschlag, der auf ihrer Brieftasche lag. Er nahm ihn heraus. Das Papier fühlte sich kostbar und glatt an. Auf der Vorderseite stand, in einer Schrift, die so altmodisch war, als stammte sie aus einem alten Tagebuch, Mrs. Polly Chalmers.
    »Diese Schrift heißt Copperplate«, sagte sie. »Ich glaube, sie wurde in der Schule gelehrt, als es auf der Erde noch Dinosaurier gab.«
    Er zog ein einzelnes Blatt Papier mit Büttenrand aus dem Umschlag. Der Briefkopf lautete:
    NEEDFUL THINGS
CASTLE ROCK, MAINE
INHABER: LELAND GAUNT
    Die Handschrift war nicht so kunstvoll wie auf dem Umschlag, aber Schrift und Sprache wirkten angenehm altertümlich.
    Liebe Polly,
    nochmals herzlichen Dank für die Schokoladentorte. Sie ist mein Lieblingsgebäck, und sie war köstlich! Außerdem möchte ich Ihnen danken für Ihre Liebenswürdigkeit und Ihre Aufmerksamkeit – ich nehme an, Sie wußten, wie nervös ich sein würde am Tage meiner Geschäftseröffnung, noch dazu außerhalb der Saison.
    Ich habe etwas, das noch nicht hier ist, aber zusammen mit anderen Dingen per Luftfracht eintreffen wird, und ich glaube, daß es Sie sehr interessieren dürfte. Mehr möchte ich nicht sagen; es wäre mir lieber, wenn Sie es sich selbst ansähen. Es ist im Grunde nur eine Nippsache, aber es ist mir bereits in dem Moment eingefallen, in dem Sie meinen Laden verließen, und meine Einfälle waren im Laufe der Jahre nur selten falsch. Ich rechne entweder Freitag oder Samstag mit seinem Eintreffen. Möchten Sie am Sonntagvormittag herüberkommen, wenn Sie es einrichten können? Ich werde den ganzen Tag da sein und Ware katalogisieren, und ich würde es Ihnen gern zeigen. Im Augenblick möchte ich nicht mehr sagen; der Gegenstand wird für sich sprechen – oder auch nicht. Auf jeden Fall möchte ich Ihnen Ihre Liebenswürdigkeit mit einer Tasse Tee vergelten.
    Ich hoffe, Nettie freut sich über ihren neuen Lampenschirm. Sie ist eine ganz reizende Dame, und er schien ihr ausnehmend gut zu gefallen.
    Ihr ergebener
Leland Gaunt
    »Merkwürdig!« sagte Alan, steckte den Brief in den Umschlag zurück und schob den Umschlag wieder in ihre Handtasche. »Hast du vor, die Sache zu überprüfen, wie wir Polizisten zu sagen pflegen?«
    »Nach einer so formellen Einladung, und nachdem ich Netties Lampenschirm gesehen habe – wie könnte ich da ablehnen? Ich glaube, ich werde hinübergehen – wenn sich meine Hände besser anfühlen. Kommst du mit, Alan? Vielleicht hat er auch etwas für dich.«
    »Vielleicht. Aber vielleicht sehe ich mir auch das Spiel der Patriots an. Irgendwann müssen sie ja einmal gewinnen.«
    »Du siehst müde aus, Alan. Dunkle Ringe unter den Augen.«
    »Es war mal wieder einer von diesen Tagen. Er fing damit an, daß ich gerade noch verhindern konnte, daß sich der Vorsitzende des Stadtrats und einer meiner Deputies gegenseitig die Köpfe einschlugen.«
    Sie lehnte sich anteilnehmend vor. »Was ist passiert?«
    Er erzählte ihr von der Auseinandersetzung zwischen Keeton und Norris Ridgewick und erwähnte dann, wie seltsam ihm Keeton vorgekommen war – das Wort Verfolgung , das er benutzt hatte, war ihm den ganzen Tag nicht aus dem Kopf gegangen. Als er geendet hatte, schwieg Polly eine ganze Weile.
    »Nun?« fragte er sie schließlich. »Worüber denkst du nach?«
    »Ich denke darüber nach, daß es noch ein paar Jahre dauern wird, bis du über Castle Rock alles weißt, was du wissen mußt. Das gilt vermutlich auch für mich. Ich war sehr lange fort und rede nicht darüber, wo ich war oder was aus meinem >kleinen Problem< geworden ist; aber ich glaube, in der Stadt gibt es eine Menge Leute, die mir nicht trauen. Als ich nach Castle Rock zurückkam – weißt du, welches Gefühl ich da hatte?«
    Er schüttelte interessiert den Kopf. Polly war keine Frau, die sich mit der Vergangenheit aufhielt, nicht einmal ihm gegenüber.
    »Es war, als schaltete man eine Fernsehserie ein, die anzuschauen man sich abgewöhnt hat. Selbst wenn man sie ein paar Jahre nicht gesehen hat, erkennt man die

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