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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Sie pro Jahr vor?«
    Hugo zog die Brauen hoch. »Eine ganze Reihe. Wir haben einen guten Ruf, deshalb kommen auch Leute von auswärts zu uns. Fünfzig vielleicht. Vielleicht auch mehr.«
    »Und seit wie vielen Jahren führen Sie Ihr Unternehmen?«
    »Seit fünfzehn.«
    Graham nickte bedächtig. »Das macht also insgesamt siebenhundertfünfzig Beerdigungen, auf denen Sie waren.« Er pfiff leise. »Würden Sie sich für einen Experten in Sachen Trauer halten?«
    »Einspruch!« Audra Campbell stand auf. »Könnte die Verteidigung uns erklären, wodurch sich ein Trauerexperte bestimmen läßt?«
    »Stattgegeben«, sagte Roarke.
    »Ich möchte es anders ausdrücken.« Graham lehnte sich neben Hugo an das Geländer des Zeugenstands, so als wäre er ein alter Freund, ein Kumpel. »Glauben Sie, Sie sind mit Trauer vertraut?«
    Hugo nickte. »Ich habe viele Leute trauern sehen. Gewisse Dinge sieht man immer wieder – das, was man auch erwarten würde – Sie verstehen, Weinen, Schock, solche Dinge.«
    »Mr. Huntley, waren Sie auf Maggies Beerdigung?«
    Der Bestattungsunternehmer lebte sichtbar auf. »Ja, eine ganz besonders gelungene Zeremonie! Ich habe sie selbst arrangiert, müssen Sie wissen. Wir hatten Blumen, der Priester hielt eine sehr bewegende Ansprache, und wenn man bedenkt, daß sie nicht aus unserem Ort stammte, kam doch eine ganz beträchtliche Zahl von Trauergästen.«
    »Haben Sie Jamie während der Beerdigung seiner Frau beobachtet?«
    Hugo räusperte sich. »Jawohl. Er hat so geweint, daß er meiner Meinung nach gar nicht mehr merkte, wie sehr – und er war körperlich so geschwächt, daß er nicht mehr aufstehen konnte. Nicht einmal den ganzen Gottesdienst hielt er durch. Um die Wahrheit zu sagen, so etwas habe ich noch nie erlebt.«
    »Hat er bei der Beerdigung zufällig etwas auf Gälisch gesagt?«
    Hugo lächelte. »Ja«, antwortete er. »Als der Sarg in die Grube gesenkt wurde, hat er gesagt › Mo chridhe ‹.«
    »Können Sie uns das übersetzen?«
    »Es bedeutet ›mein Herz‹.«
    Graham nickte. »Eines noch, Mr. Huntley. Sie haben ausgesagt, daß Sie Kratzer auf Jamies Wange bemerkten?«
    »Ja, Sir.«
    »Haben Sie auch festgestellt, wie sie ihm zugefügt wurden?« Das verneinte Mr. Huntley. »Ich konnte auf keinen Kampf oder etwas Ähnliches schließen, wenn Sie das meinen.«
    »Es ist also möglich, daß ihm diese Kratzer nicht von Maggie MacDonald zugefügt wurden?«
    »Wahrscheinlich schon.«
    Graham ging langsam auf die Geschworenen zu. »Und die Hautzellen unter Maggies Fingernägeln – ist es daher auch möglich, daß sie nicht von einem Kampf herrührten?«
    Hugo legte den Kopf schief. »Unter Umständen …«
    »Wäre es zum Beispiel denkbar, daß sie die Hinterlassenschaft einer, sagen wir, leidenschaftlichen Nacht waren, die ein sehr liebendes Ehepaar miteinander verbracht hat?«
    Diesmal drang das Prusten von der Geschworenenbank bis zu Graham vor. Er lächelte. Hugo nickte, und seine Augen wirkten groß und schwarz hinter der Brille. »Das könnte sein«, räumte er ein.
    Graham schenkte seinem Klienten ein strahlendes Lächeln. »Keine weiteren Fragen«, sagte er.
    Cam saß alleine im dunklen Wohnzimmer und leerte gerade das dritte Bier eines Sixpacks, als er hörte, wie die Haustür auf- und wieder zu ging. Er stand nicht auf, um sie zu begrüßen; doch er stellte sich die Flasche vor die Füße.
    In der Tür zeichnete sich Allies Silhouette ab. Mit der rechten Hand faßte sie an den Schalter und überflutete den Raum mit grellem Licht, so daß Cam sie wie eine Eule anblinzelte, als hätte er sie noch nie gesehen.
    Sie legte den Kopf zur Seite, musterte ihn und wünschte, er sähe nicht so aus, wie er immer aussah, wenn sie an ihn dachte. Es wäre wesentlich einfacher gewesen, wenn diese Sache eine Narbe in seinem Gesicht oder ein Brandzeichen auf seiner Stirn hinterlassen hätte, das seinen Verrat markierte. Die Kasse, mit der sie von ihrem Ausverkauf abgezogen war, stellte sie auf den Boden.
    Cam warf einen Blick darauf. »Wieviel habe ich dir eingebracht?«
    »Längst nicht genug«, sagte Allie.
    Cam nickte. Er hatte nicht genau gewußt, was er erwarten sollte. Die Allie, an die er sich erinnerte, die er geheiratet hatte, hätte niemals seine Sachen verkauft. Sie hätte angenommen, seine Untreue würde etwas widerspiegeln, das sie falsch gemacht hatte; sie hätte ihn angefleht, ihr noch eine Chance zu geben, und vor lauter schlechtem Gewissen hätte er sie ihr gewährt. Diese

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