In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)
Krimskrams.«
»Woher kennen Sie Jamie, Mr. Spitlick?«
Bud sah zu Jamie hinüber und schenkte ihm ein breites, ehrliches Lächeln. Graham hoffte, daß alle Geschworenen es mitbekamen. Bud hatte Jamie seit Maggies Tod nicht mehr gesehen, und er würde nicht mit ihm sprechen dürfen, bis er seine Aussage gemacht hatte; deshalb war dies die einzige Art und Weise, mit ihm Verbindung aufzunehmen. »Jamie hat das Haus neben meinem gekauft, vor ungefähr zwölf Jahren.«
»Und Sie kannten auch seine Frau Maggie?«
»Klar. Ein süßes kleines Ding. Er hat sie vor etwa zehn Jahren geheiratet. Meine Frau und ich haben mit ihnen gefeiert.« Graham lehnte sich an den Zeugenstand. »Können Sie uns ein bißchen über Jamie und Maggie erzählen?«
Bud pfiff durch die Zähne. »Wenn dich dein Nachbar nicht kennt, wer denn dann? Jamie und Maggie haben sich, wenn ich mich recht erinnere, gleich nach ihrer Hochzeit in die Flitterwochen verabschiedet und einfach nie damit aufgehört. Sie gehörten ganz bestimmt nicht zu den Leuten, die mit Töpfen und Pfannen aufeinander werfen und sich jeden Abend anbrüllen, wer zuviel Geld ausgegeben hat. Viel öfter hörte man, wie sie im Haus Fangen gespielt und dabei gekichert haben.«
Graham sah Jamie an. Zum ersten Mal während der gesamten Verhandlung lächelte er.
»Sie waren verrückt vor Liebe«, fuhr Bud Spitlick fort. »Für mich waren sie meine Kinder.« Dann räusperte er sich. »Natürlich fanden wir es schrecklich, als Maggie krank wurde. Ich glaube, Maggie wurde noch besser damit fertig als Jamie; denn der mußte hilflos zusehen, wie sie Schmerzen litt.«
»Können Sie uns ein Beispiel nennen?«
»Also, letztes Frühjahr – ganz früh, ich würde sagen im März –, war was mit Maggie, mitten in der Nacht. Sie hatte irgendein neues Medikament bekommen; und ich schätze, ihre Lunge machte nicht mehr mit. Die Krankenwagensirene hat mich aufgeweckt. Wahrscheinlich hat sie die ganze Straße aufgeweckt, und die meisten von uns standen im Bademantel draußen und schauten zu, wie die Sanitäter Maggie auf einer Bahre nach draußen getragen haben. Und neben ihr läuft Jamie, splitterfasernackt wie ein Neugeborenes, hat sich halb über ihre Trage geworfen und seinen Mund auf Maggies gedrückt, um sie zu beatmen. Die Sanitäter schoben ihn weg, haben ihm befohlen, sich was anzuziehen; aber er ist einfach stocksteif stehengeblieben, wie unter Schock. Ich werde wohl nie den Anblick des armen Jamie vergessen, mit dem roten Blinklicht auf seiner Haut, der zuschauen mußte, wie der Krankenwagen Maggie wegbrachte.«
Graham nickte und ließ den Geschworenen einen Augenblick Zeit, Mitgefühl zu entwickeln. »Können Sie uns etwas mehr über Maggie erzählen?«
Wieder erhob Audra Einspruch. »Über die Verstorbene wird nicht verhandelt.«
»Ich hätte hier gern etwas Spielraum, Euer Ehren«, forderte Graham.
Roarke nickte. Auch ihn schien die Krankenwagengeschichte berührt zu haben. »Allerdings rate ich Ihnen, nicht zu weit zu gehen«, warnte er. Er wandte sich an Bud Spitlick. »Sie dürfen weitersprechen.«
Bud schüttelte den Kopf. Ihm saß sichtbar ein Kloß im Hals, deshalb reichte Graham ihm eine Schachtel Kleenex von dem Geländer des Zeugenstandes. »Also«, begann Bud und hielt inne, um sich die Nase zu putzen, »Maggie war schwer krank. Es würde nicht besser werden, das begriffen wir alle.«
Graham wartete darauf, daß Bud fortfuhr, und merkte dann, daß der in seinen Erinnerungen feststeckte. »Hat Maggie jemals mit Ihnen über das Recht zu sterben gesprochen?«
»Einspruch!« kreischte Audra. »Das ist absolut irrelevant.«
»Das ist absolut relevant«, entgegnete Graham und marschierte gleichzeitig mit Audra auf Richter Roarke zu. »Die Frage bezieht sich auf Jamies geistigen Zustand sowie das Wesen seiner Tat.«
Roarke blickte von Audra auf Graham und wieder zurück, als versuche er zu entscheiden, welchen von diesen Anwaltstrotteln er zuerst aus seinem Gericht schmeißen sollte. »Einspruch stattgegeben«, verkündete er. »Nehmen Sie sich in acht, Mr. MacPhee.«
Graham wandte sich ab, doch er lächelte insgeheim. Er hatte auch nicht erwartet, daß Audras Einspruch abgelehnt würde; doch es war ihm gelungen, den Gedanke an einen Euthanasietod in das kollektive Bewußtsein der Jury zu pflanzen. Ohne daß er dabei das Wort Mitleid in den Mund genommen hatte.
»Mr. Spitlick«, sagte Graham, »haben Sie sich mit Maggie über ihre Krankheit unterhalten?«
Bud
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