Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
begann zu schwitzen; in den Achselhöhlen bildeten sich große Flecken auf seinem weißen Hemd. Er zerrte an seiner Krawatte. »Sie machte sich große Sorten«, wich er aus, »war grundsätzlich nicht gerne in der Nähe von Kranken.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Vor einiger Zeit, ich schätze mal vor fünf Jahren, hatte meine Schwester einen Schlaganfall. Maggie hat liebenswürdigerweise unseren Laden geführt, während wir im Krankenhaus waren; oft hat sie uns etwas zu essen nach Hause oder ins County General Hospital gebracht. Meine Schwester war für gehirntot erklärt worden, müssen Sie wissen – aber sie hing an einem dieser komplizierten Apparate, und zwar eine ganze Weile. Ab und zu kam Maggie in die Klinik, um meine Frau abzuholen und sie heimzufahren oder um uns ein paar Sandwiches dazulassen. Trotzdem betrat Maggie so gut wie nie das Krankenzimmer. Sie hat gesagt, kranke Leute jagten ihr eine Todesangst ein. – Eines Abends ist sie allerdings doch hereingekommen und hat meine Schwester angeschaut. Sie meinte, das sei doch kein Leben.«
    »Was haben Sie darauf erwidert?«
    Bud hatte angefangen zu weinen. »Ich habe ihr gesagt«, krächzte er, »daß Gott Frances zu sich nehmen würde, wenn er dazu bereit war. Und Maggie meinte, wenn sie da liegen würde, dann sollte jemand für sie mal Gott auf die Schulter klopfen und ihn aufwecken.« Er putzte sich die Nase mit einem Kleenex-Knäuel. »Es tut mir leid«, schluchzte er. »Es tut mir so leid.«
    »Schon gut, Mr. Spitlick«, sagte Graham. Er sah Jamie an, der seinen Nachbarn mit unmißverständlichem Schmerz in den Augen betrachtete. »Lassen Sie sich Zeit.« Er wartete, bis Bud zu Jamie hinüberlinste und mit einem kurzen Nicken sowie aufrichtigem Lächeln getröstet wurde. Dann wandte er sich an Audra. »Ihr Zeuge!«
    Audra war nicht so dumm, einen Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen, den die Geschworenen nicht nur mochten, sondern bei dem auch noch ihre Gemüter mitsprachen. Bud Spitlick spielte ihnen nichts vor; er war viel zu ungeschliffen, um eine so ausgeklügelte Vorstellung einstudiert zu haben. Sie lächelte ihn an und kam an den Zeugenstand. »Mr. Spitlick«, sagte sie, »ich möchte Ihnen eine hypothetische Frage stellen. Hätten Sie vor dreißig Jahren geglaubt, daß Sie einmal in Ihrem Wohnzimmer einen Gemischtwarenladen führen werden?«
    Bud grinste. »Nein, Madame, ganz bestimmt nicht. Damals waren wir das Sahnestück im ganzen Ort. In Cummington gab es weder einen Wal-Mart noch einen Woolworth, also kamen alle zuerst zu uns.«
    Audra nickte. »Sie würden mir daher recht geben, daß die Antwort auf eine hypothetische Frage nicht unbedingt mit der Wirklichkeit übereinstimmt – die später ja ganz anders aussehen kann?«
    Sie merkte, wie es in seinem Kopf arbeitete, während er den Satz zu durchschauen versuchte. Mochte der Himmel sie vor allzu dummen Menschen bewahren! »Ja«, sagte Bud. »Das ist wohl richtig.«
    »Also muß das, was die Verstorbene im Zusammenhang mit der unglückseligen Lage Ihrer Schwester äußerte, nicht direkt ihren eigenen Wünschen entsprochen haben, als sie sich dann tatsächlich in ähnlicher Bedrängnis wiederfand?«
    Buds Gesicht lief dunkelrot an. »Das weiß ich nicht«, nuschelte er. »Ich bin mir da nicht sicher.«
    »Mr. Spitlick, als Ihre Schwester unheilbar krank war und im Koma lag, standen Sie da unter starkem Druck?« Sie begann, mit dem Rücken zum Zeugen im Raum hin und her zu gehen.
    »O ja!« Bud wirkte erleichtert, über ein Thema sprechen zu können, das er im Griff hatte.
    Audra drehte sich zu ihm um und nagelte ihn mit ihrem kalten blauäugigen Blick fest. »Wieso haben Sie sie nicht getötet?«
    Graham sprang auf. »Einspruch!« rief er.
    »Stattgegeben.«
    Audra lächelte dem Angeklagten zu. »Ich ziehe die Frage zurück.«
    Allie hörte Wasser rauschen; also duschte Cam. Er war mittags heimgekommen, weil er Nachtschicht gehabt hatte, und an solchen Tagen sah seine Routine so aus: Alles aus dem Kühlschrank, was nicht gekocht werden mußte, verschlang er, duschte und kroch dann ins Bett, um sechs Stunden lang wie ein Stein zu schlafen.
    Er hatte die Tür angelehnt gelassen. Allie sah den Dampf in dicken Schwaden aus dem Bad wallen und auf den Orientläufer im Flur sinken. Er sang vor sich hin und wusch sich offensichtlich die Haare, denn in regelmäßigen Abständen kamen die Worte nur gegurgelt. Wahrscheinlich hatte er die Augen fest zugekniffen.
    Sie drückte die Tür einen Spalt

Weitere Kostenlose Bücher