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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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die Gastfreundschaft des Ortes genossen hatten.
    Der Laird der MacDonalds hatte es auf die lange Bank geschoben, Willhelm von Oranien seine Gefolgschaft zuzusichern, und bis fünf Tage über die vorgesehene Frist hinaus gewartet, ehe er ihm die Treue gelobte. Doch er hatte sein Wort gegeben; deshalb ahnte der Laird nichts Böses, als ein Trupp von Soldaten aus dem Clan der Campbells nach Glencoe gekommen war und im Namen der Englischen Krone um Quartier bat.
    Die Engländer jedoch hatten beschlossen, den Highlandern eine Lektion zu erteilen. Die Campbells, seit Urzeiten mit den MacDonalds verfeindet, waren nur zu gern bereit, Willhelm von Oranien diese Ehre zu erweisen. Nachdem sie ausgiebig in Glencoe Quartier genommen hatten, hatten sie in den frühen Morgenstunden ein Massaker veranstaltet und dabei den Laird der MacDonalds erschossen, seiner Gemahlin die Ringe von den Fingern gerissen und sie nackt im Schnee sterben lassen.
    In Glencoe, wie natürlich auch in Carrymuir, galt heute noch die Devise, keinem Campbell über den Weg zu trauen.
    Was der Grund dafür war, daß Jamie MacDonald, als er den Namen der für seinen Fall zuständigen Staatsanwältin hörte, erbleichte und seine Knie unter ihm nachgaben.
    Audra Campbell, stellvertretende Staatsanwältin, stand vor Martha Sully, der Richterin, die für die erste Anhörung des Falles ›Staat von Massachusetts gegen James Reid MacDonald‹ eingeteilt war, und hielt das Bild eines mondweißen, leblosen Körpers hoch, der das allerletzte war, was Jamie sehen wollte.
    »Euer Ehren«, begann sie, »wir haben den Obduktionsbericht der Leiche von Margaret MacDonald; ein unterschriebenes Geständnis des Angeklagten, in dem er seine Schuld an ihrem Tod bezeugt; Polaroidfotos, die nach der Verhaftung des Angeklagten durch Polizeichef Cameron MacDonald aufgenommen wurden und Spuren des Widerstands von Margaret MacDonald gegen ihren Mörder aufzeigen; außerdem verschiedene Beweisstücke, die die Anwesenheit des Angeklagten am Tatort belegen.« Sie zog die Brauen hoch, als wollte sie ausdrücken: Wären wir nicht alle lieber woanders?
    Nervös rutschte Graham neben Jamie hin und her. Vor ihrer Ankunft im Gericht hatte er seinem Mandanten die Prozedur erläutert; zumindest hatte Jamie verstanden, daß sie keine eigenen Argumente vorbringen würden, weil die einem Kreuzverhör standhalten müßten. Hier geht es nicht um Schuld oder Unschuld, hatte Graham gesagt. Hier wird nur entschieden, ob es einen Prozeß gibt oder nicht. Und obwohl Jamie das offenbar mitbekam, während er in Grahams engem Honda saß, erklärte es nicht, wieso sein Klient bei einem einzigen Blick auf die Staatsanwältin augenblicklich dahingewelkt war, als erblicke er ein Gespenst.
    Audra Campbell war eine Tigerin, eine Staatsanwältin von enormer Kampfeslust, die ihre streng geschnittenen Kostüme und ihr französischer Zopf in keiner Hinsicht weicher wirken ließen. Meist lag ihr nicht viel an den Fällen, die sie in der Region Berkshire bearbeitete, aber sie verlor nicht gern. Sie betrachtete die Angeklagten weniger als Vergewaltiger oder Diebe oder Mörder denn als Gegner, die es zu besiegen und moralisch zu brechen galt.
    Sie trat vor den hölzernen Tisch der Anklage und warf einen Blick auf die Zuschauer hinten im Gerichtssaal. »Ich habe einen Zeugen hier, Euer Ehren, der bestätigen kann, daß der Angeklagte am Nachmittag des 19. September 1995 seinen Wagen vor der Polizeistation Wheelock abgestellt und vor der dort versammelten Menge zugab, daß er seine Frau getötet hat. Dieser Zeuge ist der Beamte, der auch die Verhaftung vorgenommen und das Geständnis des Angeklagten aufgenommen hat. Zudem gibt es einen weiteren Zeugen, der bestätigen wird, daß der Angeklagte ihn vor der Polizeistation attackierte und deshalb gewaltsam zurückgehalten werden mußte.«
    Sie warf einen kühlen Blick auf Graham MacPhee, der allerdings zu sehr damit beschäftigt war, die versammelten Zuschauer zu betrachten, um ihren Blick aufzufangen. Zandy Monroe, jener Sergeant, der offenbar bereit war auszusagen, daß Jamie ihn angegriffen hatte, saß mit gesenktem Kopf neben Cam, der ihm etwas ins Ohr flüsterte.
    Graham fragte sich, ob Cameron MacDonald das wohl fertigbringen würde. Wie konnte ein Mensch nachts noch schlafen, der wahrscheinlich seinen Cousin für den Rest seines Lebens hinter Gitter brachte.
    Mr. MacPhee jun. starrte auf den gelben Notizblock, den er zur Vorverhandlung mitgebracht hatte. Von einigen

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