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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Sie.«
    Ellen streckte die Hand nach den Pflanzen aus und rieb mit den Fingern darüber, als wollte sie prüfen, wie empfindlich sie waren. »Großartig!« Sie freute sich. »Die hier sollen Wunder wirken, wenn man zur Ruhe kommen möchte.«
    Mia blickte auf die unscheinbaren Zweige in Ellens Hand und zog eine Braue hoch. »Ich habe es lieber ein bißchen bunter«, wandte sie ein.
    »O nein«, meinte Ellen. »Ich brauche sie als Medizin. Sie werden gekocht. Naturheilkunde.« Sie wedelte mit der Zitronenmelisse durch die Luft, so daß einige der Blütenköpfe zu Boden schaukelten. »Allie ist eine wahre Himmelsbotin, wenn es um ganzheitliche Medizin geht.«
    Das hatte Mia nicht anders erwartet. Sie lächelte verlegen, weil sie nicht wußte, ob sie noch irgend etwas tun sollte, etwa Ellen MacDonald einen Teekessel anbieten, in dem sie ihren Aufguß zubereiten konnte, oder die Blätter für sie abzupfen. Ellen sagte nichts weiter, doch sie schien es auch nicht eilig haben, zu gehen.
    »Sie sind also Cams Mutter«, sagte Mia und merkte erst, nachdem sie die Worte ausgesprochen hatte, wie vertraulich sie klangen.
    »Eben jene«, bestätigte Ellen. Sie faßte tief in eine Tasche und holte ein paar abgeschliffene Steine heraus. »Sie wirken ein bißchen verstimmt, meine Liebe«, sagte sie und schüttelte die Steine dabei in der Hand wie Würfel. Als sie auf den Tisch gefallen waren, begann sie, sie auszusortieren. »Das hier ist Rhodonit, der beruhigt – hier, nehmen Sie ihn –, und dieser Rosenquarz beinhaltet die Liebe; nein, den nicht, das ist ein Karneol, der steht für Sexualität … Ah!« Triumphierend schwenkte sie einen glatten grünen Stein vor Mia. »Aventurin«, verkündete sie, »für Seelenruhe!«
    Mia berührte jeden einzelnen der Steine, die wie bunte Murmeln über Allies Schreibtisch verstreut lagen. »Und das funktioniert wirklich?« fragte sie.
    Ellen zuckte mit den Achseln. »Vermutlich hängt das davon ab, wie sehr man es sich wünscht. Als den alten Angus der Schlag traf, ein Jahr nach seiner Ankunft in Amerika, und alle der Meinung waren, er würde in wenigen Tagen sterben, da habe ich ihm Malachite in den Saum seines Krankenhemds genäht. Die sollen Herz und Kreislauf stärken. Und siehe da, am nächsten Morgen ist er auf seinen eigenen Beinen aus dem Krankenhaus marschiert.«
    Mia blieb der Mund offen stehen. »Unglaublich!«
    Ellen lächelte. »Wahrscheinlich war das weniger auf den Malachit als darauf zurückzuführen, daß er ein MacDonald ist«, gab sie zu. »Die sind zu eigensinnig, um zu sterben, ehe sie es wirklich für richtig halten.«
    Mia hörte die Tür in den Angeln quietschen und eilte nach vorne, um einen möglichen Kunden zu bedienen. Über den Arbeitstisch gebeugt, auf dem er sorgfältig zwei Pappteller und Besteck arrangierte, stand Cam. »Hi«, grinste er, als sie in den Verkaufsraum trat. »Da es nur in meinem Interesse liegt, dich bei Kräften zu halten …«
    »Cam«, unterbrach Mia ihn, »rate mal, wer hier ist.«
    Ellen trat aus dem Büro, mit wieder zugeknöpftem Mantel und Bündeln borstiger Pflanzen in beiden Händen. »Na so was«, meinte sie fröhlich, »zwei Fliegen mit einer Klappe.«
    Cam beugte sich zu seiner Mutter hinab und küßte sie auf die Wange. »Was machst du denn hier?«
    »Allie hat mir Lindenblüten besorgt«, sagte sie und streckte Cam die Zweige entgegen, damit er daran roch. »Ich bereite heute ein Schlafmittel zu.«
    »Na klar!« Cam lächelte, denn er war zu gut gelaunt, um sich über die Verrücktheiten seiner Mutter zu ärgern. »Irgendwer muß auch das übernehmen.«
    Ellen sah auf den Tisch, der so liebevoll für zwei gedeckt war; auf die fettigen Calzones, die Cam gekauft hatte, und die bereits durch den Boden der Papiertüte leckten. Sie sah ihrem Sohn ins Gesicht. »Sag bloß nicht, du hättest vergessen, daß Allie weg ist«, mäkelte sie.
    »Das ist für Mia«, erwiderte Cam glatt. »Allie hat mich gebeten, sie nicht verhungern zu lassen.«
    Einen Moment lang konnte Ellen nicht genau sagen, was los war. Doch dann begriff sie: Cam fieberte; er verbrannte innerlich. Er wirkte nicht krank, doch die Flammen hinter seinen Augen und die von seinem Hals aufsteigende Röte konnte sie jederzeit deuten.
    Ellen starrte ihren Sohn an, der eben etwas auswickelte, das wie Parmesan aussah, und dabei ein altes schottisches Wiegenlied pfiff. Dann sah sie Mia an, die ihre Hände nicht ruhig zu halten vermochte. In Ellens Tasche lag noch ein Amethyst, der

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