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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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für Willenskraft stand, und sie spielte mit dem Gedanken, ihn Cam zu geben – doch sie spürte, daß er das selbst entdecken mußte.
    Dann dachte sie an Allie, die nicht hier war, um all das mitzubekommen; Allie, die mit gebeugtem Rücken über Ellens Herd stand und Bienenwachs und Wollfett und weiß Gott was mischte. Sie dachte daran, wie sie, Ellen, eine Tinktur zu stark angesetzt hatte und wie Allies Haut, als sie sich die Flüssigkeit gegen Falten ins Gesicht gerieben hatte, grün wurde. Ihr fiel ein, wie Allie in Ellens früherem Hochzeitskleid ausgesehen hatte, wie sie Cams Hand während der Parade der Gratulanten so fest gedrückt hatte, daß sie blaue Flecken darin hinterließ, die erst nach einer Woche wieder verschwanden.
    Ellen legte ihre Pflanzen beiseite und knöpfte ihren Mantel auf. Sie nahm auf einem der Arbeitshocker Platz und stützte die Ellbogen vor einem Pappteller auf. »Wie nett«, schmetterte sie, »hoffentlich reicht es auch für drei.«
    Das freie Zimmer in Jamies und Maggies Haus war in ein Arbeitszimmer für Jamie umgewandelt worden, komplett mit modernstem Computersystem und VR-Inventar. Vorsichtig trat Allee in den Raum; Computer machten sie nervös. Im Vorjahr hatte sie einen Kurs mitgemacht, bei dem ihr beigebracht worden war, wie Computer ihr Lager überwachen und Rechnungen stellen konnten; doch einige von den Gerätschaften, die in Jamies Arbeitszimmer herumstanden, hatte sie noch nie gesehen.
    Eigenartige geometrische Muster wirbelten über den Bildschirm, als wäre der Benutzer nur kurz auf die Toilette gegangen und wollte gleich wieder zurück sein. Dies hier war Allie bekannt – die sogenannten Bildschirmschoner oder etwas in der Art; damit sollte Energie gespart werden, wenn der Computer angeschaltet war, aber nicht bedient wurde. Es überraschte Allie, daß Jamie nicht daran gedacht hatte, den Rechner abzuschalten, bevor er mit Maggie aufbrach; dann begriff sie, daß er wahrscheinlich andere Dinge im Kopf gehabt hatte. Trotzdem, die Stromkosten wüchsen in astronomische Höhen, solange Jamie in Wheelock war. Fast schüchtern ließ sich Allie auf dem Drehstuhl nieder und faßte nach dem Ausschaltknopf.
    Sobald sie die Hand ausgestreckt hatte, verschwanden die geometrischen Muster, und ein knallgelber Ball blinkte sie an wie der Blitz einer Kamera. Der Ball schlidderte von links nach rechts und hinterließ eine Schriftzeile. W ILLKOMMEN , las Allie. B ITTE H ANDSCHUHE UND D ATENHELM ANLEGEN.
    Wie hypnotisiert durch diesen Apparat, der zu wissen schien, wann sie eingetroffen war, faßte Allie nach dem Handschuh. Sie schob ihre Hand hinein und bewegte die Finger, dann starrte sie auf den Kopfschutz neben ihr. Sie hatte keine Ahnung, was ein Datenhelm war; doch nur diesen Gegenstand konnte man als Helm bezeichnen. Zögernd nahm sie ihn und schob ihn über Kopf und Augen.
    Sie zuckte zurück. Statt auf einen Computerbildschirm zu starren, befand sie sich nun mitten darin. Auf allen Seiten und selbst, wenn sie den Kopf hin und her bewegte, war Allie von einer schlichten Zelle mit grauen Wänden und blauem Teppichboden umgeben, ähnlich dem Wartezimmer eines Arztes. Einige Zentimeter vor ihrem Blick begannen sich Worte zu bilden, die wie Kolibris umherschwebten. Willkommen im Northrup Architectural Virtual Design System, las Allie. Sie streckte die Hand aus, und ließ die Buchstaben auf ihr ruhen. Vergnügt stellte sie fest, daß sie Gewicht und Masse besaßen. Dann folgte in kleinerer Schrift: Produziert und implementiert von Techcellence Inc., Copyright 1993. Stirnrunzelnd sann Allie darüber nach. Komisch, daß Jamie nicht an neueren Projekten arbeitete …
    Doch bevor sie sich weiter darüber wundern konnte, klappten die Wände um sie herum weg, und sie blickte auf drei schwebende Hologramme: einen Wolkenkratzer, ein Hotel und einen Fahnenmast. Eine körperlose Fernsehansagerstimme erklärte: »Bitte zeigen Sie mit dem Handschuh auf das Projekt, das Sie besichtigen möchten.« Noch während Allie die Hand ausstreckte, benannte die Stimme die einzelnen Wahlmöglichkeiten. »Rystrom Towers«, dröhnte sie. »Das Four Seasons, Toronto … Carter-S.-Wilder-Grundschule.«
    Allie schloß die Finger um den Fahnenmast. »Sie haben die Carter-S.-Wilder-Grundschule gewählt«, meldete die Stimme. »Wenn Sie mit Ihrer Führung fortfahren möchten, sagen Sie das bitte jetzt.«
    Allie räusperte sich und kam sich ein wenig idiotisch vor. »Ich möchte mit meiner Führung fortfahren«,

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