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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Dreiecken und seinen Initialen abgesehen, hatte er nichts von Belang darauf gekritzelt. Mit Bedacht notierte er nun Cams Namen und unterstrich ihn. Allie war in Cummington, um wichtige Zeugen aufzuspüren; doch Graham wußte, daß die Verteidigungsstrategie bei der Hauptverhandlung zum großen Teil Cam miteinbeziehen mußte. Graham malte sich ein Kreuzverhör aus, bei dem er am Zeugenstand lehnte, so lässig wie irgend möglich, und Cam bat, die komplizierten Familienbande der MacDonalds in Wheelock zu erläutern. Er stellte sich vor, wie er Cam aufforderte, das Motto des Chiefs von Carrymuir zu rezitieren, dieselben Worte, die auch das Stadtsiegel von Wheelock zierten: Ex uno disce omnes – von einem schließe auf alle.
    Wenn Cam bezeugte, daß sein Cousin ein Mörder war, was würde das über Cam selbst aussagen?
    Graham lächelte. Er mußte nur dafür sorgen, daß der Hauptzeuge der Anklage einen Anflug von Unsicherheit zeigte, das mit Jamies Aussage kombinieren, und die Sache war geritzt.
    Jetzt fehlten ihm nur noch die rechtlichen Grundlagen für seine Verteidigung.
    »Herr Anwalt«, sagte Martha Sully. »Möchten Sie dazu Stellung nehmen?«
    Graham merkte, wie Jamie neben ihm steif wurde. Er stand auf, räusperte sich und strich das Brooks-Brothers-Sakko über seinen gebügelten Anzugshosen glatt. »Euer Ehren«, hub er an, »zwar sind einige der von der Anklage erhobenen Vorwürfe zutreffend; doch steht mein Klient auf dem Standpunkt, daß er nicht schuldig ist, und zwar aus folgenden Gründen: Er war von seinem Schmerz derart übermannt, daß er einfach nicht er selbst war. Als Margaret MacDonald starb, war James MacDonald Opfer einer vorübergehenden Unzurechnungsfähigkeit. Wir wären bereit, das bei einer Verhandlung zu bezeugen und auch entsprechende Beweise vorzulegen.«
    Er setzte sich abrupt, und Jamie sah zu ihm hinüber, ein schnelles, ironisches Lächeln auf den Lippen. »Na also«, flüsterte Jamie. »Das häßliche Entlein hat sich doch noch in einen Schwan verwandelt.«
    Graham zog eine Braue hoch. »Das war noch gar nichts«, murmelte er.
    Martha Sully blickte hinab auf die vor ihr versammelten Menschen. Sie setzte ihre Halbbrille auf und begann, etwas in die Akte vor ihr auf dem Richtertisch einzutragen. »Das Gericht befindet, daß das Beweismaterial ausreicht, um diesen Fall einer Jury zur Beratung vorzulegen«, verkündete sie und klappte die Akte zu.
    Audra Campbell begann, Unterlagen und Notizbücher in ihre lederne Tasche zu stopfen. Sie stand auf, glättete ihre Rockfalten und kam an das Pult der Verteidigung. »Wir sehen uns noch«, sagte sie zu Graham, dann fixierte sie Jamie, und ein raubtierhaftes Lächeln teilte ihr Gesicht in zwei Hälften. »Mr. MacDonald«, sagte sie, »ich kenne kein Pardon.«
    Jamie hielt ihrem Blick stand. »Tja«, erwiderte er gleichmütig, »von einer Campbell hätte ich das auch niemals erwartet.«
    Ellen MacDonald hätte Mia nicht einen solchen Schrecken eingejagt, wäre sie gerade mit etwas Unverfänglichem beschäftigt gewesen, wie die Bonsais zu stutzen oder Pflanzschalen zu arrangieren, statt einen Bestellblock mit Cams Namen vollzukritzeln.
    »Hallo«, rief Ellen, nur Zentimeter von Mias Schulter entfernt, so daß Mia einen Satz in die Luft machte. Sie sprang hoch, blickte der Besucherin, die sie kurz auf der Beerdigung gesehen hatte, ins Angesicht und stopfte das Papier mit ihren Träumereien in die Gesäßtasche ihrer Jeans.
    »Mrs. MacDonald!« Mia versuchte zu lächeln. »Hat Allie Ihnen nicht erzählt, daß sie verreist?«
    »Natürlich«, erwiderte Ellen, marschierte zur Kaffeemaschine und schenkte sich die Tasse voll, aus der Allie gewöhnlich trank. »Aber sie hat mir gesagt, Sie würden währenddessen den Laden leiten und daß ich einfach wie üblich vorbeikommen und mir nehmen soll, was ich will.«
    Mia starrte sie verständnislos an. Nehmen, was sie will? Ellen spazierte weiter zum Kühlregal und begann, die Kräuter zu befingern, die Allie auf der rechten Seite aufbewahrte. »Frische Zitronenmelisse und getrocknete Linde«, sagte sie eher zu sich selbst als zu Mia. Sie richtete sich auf, die Stirn in Falten gelegt. »Ich weiß, daß sie irgendwo sein müssen. Sie bestellt mir jede Woche, was ich brauche.«
    Mia dachte an die fetzte Lieferung, die Antonio vorbeigebracht hatte, an die eigenartigen Zweige und Blätter, die sie nicht hatte einordnen können und auf Allies Schreibtisch gelegt hatte. »Ach«, sagte sie, »die meinen

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