In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)
Brust. »Ich suche ein Geschenk für meine Frau«, sagte er. »Darf ich mich mal umsehen?«
Die Frau zuckte mit den Achseln. »Lassen Sie sich Zeit.«
Cam spazierte durch das Gerümpel und mußte daran denken, wie Allie ihm befohlen hatte, sie mit seiner Smith and Wesson zu erschießen, falls sie ihren Laden jemals ›kuschelig und kitschig‹ werden ließ. Er betastete herzförmig geschliffene Steine und handbemalte Kaffeetassen mit getöpferten Eidechsen als Henkel. Es gab eine kleine Sammlung von Pet Rocks – Schmeichelsteinen in Pappkäfigen – und muschelverzierten Lampenschirmen. Er entdeckte Aquarelle von verschiedenen Spanielrassen, Ohrringe aus Sterlingsilber, bestickte Westen. »Suchen Sie was zum Geburtstag?« fragte die Frau.
Cam wirbelte herum. Nein, dachte er, sondern um mein Gewissen zu beruhigen. »Sie ist Floristin«, sagte er statt dessen. »Haben Sie was in der Richtung?«
Sie führte ihn zu Kränzen aus getrockneten Primeln und Binsenkörbchen mit Efeu; doch diese Sachen hatte Allie selbst, im Laden. Resigniert schüttelte er den Kopf. »Vielen Dank für Ihre Mühe«, setzte er an.
»Warten Sie!« Obwohl sie so klein war, besaß die Frau eine Stimme mit der Autorität eines Rekrutenschleifers. Cam blieb augenblicklich stehen. »Meine Schwester arbeitet hinten an etwas«, erklärte sie. »Vielleicht könnten wir da was arrangieren.«
Sie saß über einen Tisch gebeugt, wo sie akribisch an einem blauen Glasstück herumschnitt. Es war das letzte Puzzlestück in einer atemberaubenden Buntglasscheibe, auf der drei schlanke Narzissen vor einem elektrisierend saphirblauen Hintergrund standen. Die dünnen Stengel waren aus hellem Edelsteingrün, die Blütenmitten feuerrot. Die Narzissen selbst besaßen jene an Silberahorn erinnernde Farbe, die Cain immer mit Allie in Verbindung brachte. Und der Hintergrund schimmerte genauso blau wie Mias Augen.
Er begriff, daß es Buße genug war, wenn er dieses Bild für den Rest seines Lebens im Wohnzimmer aufhängte.
»Ich nehme es«, sagte er, denn er wußte, daß der Preis nichts zur Sache tun würde. Er wartete, bis die Frau ihr Werk in mehrere Schichten Gaze und Stoff gewickelt und es mit einem letzten zärtlichen Streicheln auf den Rücksitz seines Autos bugsiert hatte. Es lag eine gewisse Ironie darin, daß er etwas kaufte, das ihn mit derart leuchtenden Farben an seine Schuld erinnerte. Den ganzen Heimweg über dachte Cam an Blaubeeren und Blut und andere Dinge, die unauswaschbare Flecken hinterlassen – und fragte sich dabei, wie lange es wohl dauerte, eine Seele zu reinigen.
Graham McPhee hatte seinen Schlafrhythmus verloren. Seit seiner Zusage, Jamie MacDonald zu vertreten, schlief er keine Nacht mehr durch. Und seit er bei der Anhörung offiziell auf vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit des Angeklagten plädiert hatte, konnte er keine fünf Minuten mehr im Bett liegen, ehe er in kalten Schweiß gebadet aufwachte und sich fragte, ob er seine Verteidigung nicht besser auf Euthanasieargumente begründete.
Er stand in seidenen Boxershorts auf dem Balkon seiner Wohnung und starrte die Sterne an. Das Problem bei einer Verteidigungsbasis auf Euthanasie lag darin, daß er einfach nur gewinnen wollte. Einen Präzedenzfall schaffen wollte er nicht! Und wenn er durch eine unorthodoxe Verteidigungsstrategie einen riesigen Medienzirkus auslöste, wer, zum Teufel, wollte dann vorhersagen, wie das die Jury beeinflussen würde? Ganz zu schweigen davon, daß fortan bis in alle Ewigkeit jeder, der ohne Zeugen einen anderen Mensch tötete, behaupten könnte, das Opfer habe ihn darum gebeten.
Es gab zu viele Stolpersteine bei einer Verteidigung, die sich auf eine Tötung aus Mitleid berief; Stolpersteine, die einen während der Verhandlung zu Fall bringen konnten. Wer hätte zum Beispiel in Maggies Tod einwilligen müssen? Jamie hatte zwar Maggies Erlaubnis, sie zu töten; aber was wäre gewesen, wenn sie im Koma gelegen und ihren Willen nicht hätte kundtun können?
Und wer sagte, daß nur Maggies Einwilligung nötig war? Was war mit ihrer besten Freundin? Ihrer Tante Lou in Chicago? Ihrer ehemaligen Zimmergefährtin im College? Jedem anderen, der eine Rolle in ihrem Leben gespielt hatte und der sie gerne noch etwas länger um sich gehabt hätte?
Und falls man die Einwilligung hatte, mußte sie dann noch bestätigt werden? Von einem Arzt etwa, der erklärte, daß die Krankheit nicht zu heilen war? Welche Krankheiten waren überhaupt eindeutig unheilbar?
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