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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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sich, daß sie zu ihm aufsehen und lächeln würde – insgeheim wollte er es heraufbeschwören ; doch Allie hatte wie gebannt auf das Armaturenbrett des Wagens gestarrt. Ohne Cam auch nur anzusehen, hatte sie auf einen Knopf gedeutet. »Ist der hier für das Blaulicht?« fragte sie. Sacht fuhr sie mit dem Finger über den Schalter.
    Cam lachte und deckte seine Hand über ihre. »Mach schon«, sagte er. »Das ist die Chance deines Lebens.«
    Allie schaltete das Blaulicht ein, und sie rasten, allerdings ohne Sirene, zum See. Nachdem Cam im Schatten der Uferbäume angehalten hatte, stellte er den Automatikhebel auf Parken, lehnte sich mit verschränkten Armen zurück und sah Allie an. »Na?«
    Allie lächelte. »Ich fühle mich sehr geehrt. Schade, daß ich es hier drinnen nicht sehen konnte.«
    Cam grinste. »Du schaust lieber zu, als mittendrin zu stecken?«
    »Na ja«, erwiderte Allie, »das hängt von der Situation ab.«
    Cam bestand darauf, daß sie ihre Schuhe im Auto ließen – was war ein Picknick mit Schuhen? Er half ihr, die Kühltasche langsam über den Rasen zu tragen, und ließ Allies Füßen dabei Zeit, nach Stacheln und spitzen Steinen zu tasten, die er nicht bemerkte. Allie hatte riesige Stangenbrot-Sandwiches mitgebracht – Parmaschinken auf Baguette, italienische Salami und Provolone, Roastbeef und Boursin. Dazu kam eine Thermoskanne mit Pfirsich-Eistee und eine Schüssel mit rotem Kartoffelsalat. Zum Nachtisch gab es für jeden ein Apfeltörtchen. Allee erklärte ihm, sie hätte alles nur auf eine plötzliche Laune hin zusammengepackt; doch Cam erkannte an der geröteten Haut unter ihren Augen, daß sie dieses Picknick schon länger geplant hatte und nachts aufgeblieben war, um für ihn zu kochen.
    Zu seiner Überraschung gefiel ihm dieser Gedanke ausgezeichnet.
    Er beobachtete, wie sie auf dem Boden niederkniete, um die Kühltasche zu öffnen. Sie hatte die Hälfte des Inhalts in einem Halbkreis um sich aufgebaut, als sie Cam ansah. »Ich habe die Decke vergessen«, platzte sie heraus, als wäre dies das Schlimmste auf der Welt. »Wie konnte ich bloß diese blöde Decke vergessen!«
    Sie sah aus, als würde sie gleich weinen, und das war so etwa das letzte, womit Cam fertig wurde, darum sprang er auf. »Im Auto müßte etwas sein«, tröstete er hastig und lief zur Straße zurück, doch er fand nur Notfallfackeln und einen Ersatzwagenheber. Als er an den See zurückkam, starrte Allie ihn an, die Hände im Schoß, in denen sie immer noch die Apfeltörtchen hielt. Er wollte ihr schon erklären, daß sie sich ohne Decke behelfen mußten, doch das Vertrauen in ihren Augen hielt ihn davon ab. Cam hatte es damals in den Gesichtern fast aller Ortsbewohner vorgefunden, die zur Beerdigung seines Vaters gekommen waren und sich danach blindlings in Cams Obhut begaben. Cam kannte diesen Blick und die Last der Verantwortung, die ihm jedesmal die Brust zerquetschte, wenn er ihm begegnete. Aber bei Allie wirkte das Vertrauen anders. Cam sah sich, wie Allie ihn sah, und zum ersten Mal begriff er, daß es möglich war, für einen anderen Menschen jeden Tag ein Held zu sein.
    Er wußte nicht mehr, was er ihr gesagt hatte oder wie es dazu kam, daß er mit dem Knie in einem Törtchen landete, als er Allie in seine Arme zog und mit ihr auf eine Decke fiel, die die Natur für sie bereitgelegt hatte und die in dem strahlenden Gold herbstlicher Ahornblätter leuchtete. Nicht Lust überkam Cam. Es war das Gefühl, daß seine Unbesiegbarkeit dahinschwinden würde, wenn er sie nicht irgendwie konservierte. Und die beste Garantie dafür lag in der Person, die ihm dieses Gefühl vermittelte; daher machte er sie zu einem Teil seiner selbst.
    Cam hatte an ihren Kleidern gezerrt, über so einfache Dinge wie Knöpfe verärgert, bis Allie ihn sanft beiseitedrückte und sie selbst öffnete. Als wäre es absolut natürlich, mitten am Tag halbnackt herumzuliegen, hatte sie die Arme nach Cam ausgestreckt, und er war zu ihr herabgesunken, hatte an ihrem Haar gezupft, ihren Rücken in das knisternde Laub gedrückt, ihren Hals mit seinen Küssen verbrannt. Selbst jetzt noch, Jahre später, brauchte er nur die Augen zu schließen und sah Allie mit schweren Lidern vor sich, den Kopf zur Seite gedreht und jene leuchtenden gelben Blätter im Haar, als schiene die Sonne selbst in ihrem Rücken.
    Als er in sie drang, war er so davon gebannt, wie warm sie sich anfühlte und wie gut sie zusammenpaßten, daß er weder die Blätter spürte, die

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