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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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von oben auf ihn fielen und an seinen Schultern kitzelten, noch wie Allie sich kurz unter ihm versteifte oder den erstickten Schrei, den sie in seinen Hals drückte. Cam spürte einen vorübergehenden Druck, dann ein Nachgeben; doch er hielt das für eine innere, von ihm aufgebaute Barriere, die schwand, als er den Dingen ihren Lauf ließ.
    Erst als er sich auf die Seite rollte und über dem goldenen Laub die zuckerahornroten Schmierer auf ihren Schenkeln sah, begriff er, daß Allie Gordon mit fünfundzwanzig noch Jungfrau gewesen war.
    Cam sprang auf und begann sich anzuziehen. Er sagte kein Wort, bis er in Hemd und Hose steckte, Allie hatte sich derweilen zu einem kleinen Ball zusammengerollt, die Hände um die Knie geschlungen, die Kleider schützend um sich gezogen. »Warum hast du mir das nicht gesagt?« wollte er wissen, hoch über ihr stehend.
    »Du hast mich nicht gefragt«, wisperte Allie.
    Fluchend und das Laub hochkickend stakste Cam in Richtung See davon. Dort blieb er ein paar Minuten, bis er merkte, daß Allie, die sich inzwischen angezogen hatte, hinter ihm stand. »Du bist wütend auf mich«, stellte sie fest.
    »Scheiße, ja«, fauchte Cam.
    Allie erschauerte ein wenig. »Das ändert doch nichts«, sagte sie. »Wir leben in den Achtzigern. Ich wollte dich nicht in eine Beziehung lotsen. Und wahrscheinlich wäre es sowieso irgendwann passiert.«
    »Darum geht es nicht«, brummelte Cam. »Das erste Mal hätte anders sein sollen. In einem Bett, bei allen Heiligen! Mit Vorsicht!«
    Allie strahlte. »Dann bist du gar nicht wütend auf mich «, erkannte sie, »sondern auf dich selbst.«
    Sie schloß ihn von hinten in die Arme und ließ ihre Wange gegen seinen Rücken sinken. Eine Zeitlang blieben sie so stehen und beobachteten die Blätter, die sich gegenseitig über den See jagten wie Kobolde. Dann löste Cam Allies Hände von seiner Taille und führte sie zum Auto. »Ich hole die Kühltasche«, sagte er, weil er nicht wollte, daß sie dorthin zurückkehrte.
    Er überquerte nochmals die Straße, barfuß. Ehe er die Tasche aufhob, kehrte er mit dem Fuß Laub über die Stelle, an der sie gelegen hatten, als wollte er alle Hinweise auf Allies Schmerzen vertuschen. Als er sich umdrehte, sah er Allie vor dem Streifenwagen stehen, die Hände in die Hüften gestemmt. Sie hatte die Zündung und das Blaulicht eingeschaltet, und der kreisende blaue Strahl fing sie alle paar Sekunden ein, ließ sie zu einem stillen, betörenden Engel erstarren.
    Shelley Pass, der erste Ort abseits der Route 8 hinter Wheelock, litt unter demselben Los wie sein Nachbarort: ebenfalls eine typisch neuenglische Siedlung, in der schönen Landschaft der Berkshires gelegen und, wenn die Blätter sich bunt färbten, von Touristen überlaufen. Doch besaß er den Vorzug, daß dort der Dichter geboren war, der die Verse über ›Little Boy Blue‹ zu Papier gebracht hatte – weshalb im Ortszentrum, gegenüber der Kirche, eine Statue des faulen, handspannengroßen Schäfers stand, der tief schlafend und mit fest umklammertem Horn hinter einem Heuschober lag. Aus für Cam unerfindlichen Gründen reisten tatsächlich Menschen hierher, um diese Statue zu bestaunen und Fotos davon zu machen.
    Cam fuhr durch den kleinen Ort, die Schuhe auf dem Beifahrersitz, die nackten Zehen über dem Bremspedal eingerollt, wenn er an eines der verrosteten Stoppschilder kam.
    Wonach er suchte, war ihm nicht klar; aber er wußte, daß er nach etwas Ausschau hielt. Er passierte die typischen Mark steine jedes neuenglischen Ortes: Friseur, Feuerwehrhaus, Post. Cam beugte sich vor zur Windschutzscheibe, als könnte er dadurch eine Boutique herbeizaubern. Er würde sein Glück noch fünf Minuten lang versuchen, dann einfach zum nächsten Blumenladen fahren, in dem keine Mia Townsend arbeitete, und Allie ein Dutzend Rosen kaufen.
    Aus einer Laune heraus bog er in eine Seitenstraße und sah am Ende einer schmuddeligen Sackgasse ein hübsch gemaltes Schild leuchten. M EENA'S UND H EDDY'S stand darauf in lila Lettern. F EINE K ÜNSTE UND ANDERES . Cam mußte lächeln. Was waren wohl unfeine Künste? Schiefe Teppiche und Malereien mit Schlamm?
    Als er in den Laden trat, mußte er den Kopf einziehen, um nicht an der niedrigen Decke anzustoßen. Im Verkaufsraum war niemand außer einer kleinen Frau in einem Kaftan, der sie vom Hals bis zu den Füßen einhüllte. »Hallo«, sagte sie. »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
    Cam grinste sie an. Sie reichte ihm vielleicht bis zur

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