In eisige Höhen
eigenen Geschichte zu verbergen. Er war mir auf Anhieb sympathisch.
Hall war der Jüngste von neun Kindern einer katholischen Arbeiterfamilie aus Christchurch, Neuseeland. Obwohl er einen flinken, analytischen Verstand hatte, ließ er, nachdem er mit einem besonders autoritären Lehrer aneinandergeraten war, die Schule sausen und fing 1976 bei Alp Sports an, einem ortsansässigen Hersteller von Bergsteigerausrüstung. »Er hat mit irgendwelchen kleinen Arbeiten angefangen, was an der Nähmaschine gemacht und solche Sachen«, weiß Bill Atkinson noch, ein meisterhafter Bergsteiger und –führer, der damals ebenfalls für Alp Sports gearbeitet hatte. »Aber Rob hatte außerordentliches organisatorisches Talent, was bereits aufgefallen ist, als er noch sechzehn, siebzehn war, und schon bald hat er die gesamte Herstellungsabteilung in dem Laden unter sich gehabt.«
Hall war bereits seit Jahren ein begeisterter Bergwanderer. Ungefähr zur selben Zeit, als er den Job bei Alp Sports annahm, begann er auch mit Fels- und Eisklettertouren. »Er war ein sehr lernstarker Anfänger«, erzählt Atkinson, der Halls regelmäßigster Kletterpartner wurde, »mit der Fähigkeit, sich Techniken und Geisteshaltungen von anderen anzueignen, egal, von wem.«
1980, als Hall neunzehn war, war er bei einer Expedition auf den schwierigen Nordgrat des Ama Dablam dabei, ein 6795 Meter hoher Gipfel von unvergleichlicher Schönheit etwa fünfzehn Meilen südlich vom Everest. Während jener Reise, Halls erster in den Himalaja, machte er einen Abstecher ans Basislager des Everest und faßte den Entschluß, daß er eines Tages den höchsten Berg der Erde besteigen würde. Er sollte dazu zehn Jahre und drei Versuche benötigen, aber im Mai 1990 erreichte Hall schließlich als Leiter einer Expedition, der auch Peter Hillary, der Sohn von Sir Edmund, angehörte, den Gipfel des Everest. Dort angekommen, funkten Hall und Hillary sich ins neuseeländische Radio ein. Die Sendung wurde im ganzen Land übertragen, und in einer Höhe von 8 848 Metern erhielten sie die Glückwünsche von Geoffrey Palmer, dem Premierminister.
Hall war zu jener Zeit bereits professioneller Bergsteiger. Wie die meisten seinesgleichen bemühte er sich, seine teuren Himalaja-Expeditionen mit Sponsorengeldern von Firmen zu finanzieren. Er war clever genug zu wissen, daß es größtmöglicher Medienpräsenz bedurfte, um die Firmen dazu zu bringen, ihre Scheckbücher zu öffnen. Er bewies in der Tat außerordentliches Geschick, wenn es darum ging, seinen Namen in die Zeitungen und seine Visage auf die Mattscheibe zu bekommen. »Yeah«, räumt Atkinson mit leisem, kritischem Unterton ein, »Rob hatte schon immer ein Gespür für Publicity.«
1988 wurde Gary Ball, ein Bergsteiger aus Auckland, zu Halls bevorzugtem Kletterpartner und bestem Freund. Ball stand 1990 zusammen mit Hall auf dem Gipfel des Everest, und kurz nachdem sie nach Neuseeland zurückgekehrt waren, heckten sie einen Plan à la Dick Bass aus, die jeweils höchsten Berge der sieben Kontinente zu besteigen – und den Schwierigkeitsgrad um eine Stufe zu erhöhen, indem sie alle sieben in sieben Monaten erklommen. 5
Mit dem Everest, dem schwierigsten des Septetts, schon in der Tasche, konnten sie einen großen Stromkonzern, Power Build, dafür gewinnen, die nötige finanzielle Unterstützung zu leisten, und schon waren sie unterwegs. Am 12. Dezember 1990, nur Stunden bevor ihre Sieben-Monats-Frist abgelaufen war, erreichten sie unter großem Trara in ihrem Heimatland den Gipfel des siebten Berges – des Vinson Massivs, mit 4884 Metern der höchste Punkt der Antarktis.
Trotz ihres Erfolges fingen Hall und Ball an, sich Gedanken über ihre langfristigen Aussichten im professionellen Bergsteiger-Gewerbe zu machen. »Wenn ein Bergsteiger weiter Sponsorengelder von Firmen bekommen will«, erklärt Atkinson, »muß er ständig den Einsatz erhöhen. Die nächste Tour muß noch härter und spektakulärer sein als die vorhergehende. Es wird zu einer sich immer enger windenden Spirale. Irgendwann ist der Punkt erreicht, wo man der Herausforderung nicht mehr gewachsen ist. Rob und Gary hatten kapiert, daß sie es früher oder später nicht mehr schaffen würden, echte Höchstleistungen zu bringen, oder daß sie Pech haben und bei irgendeinem Unglück draufgehen könnten.
Sie sagten sich also, daß die Zeit gekommen ist, sich umzuorientieren und bei Hochgebirgsführungen mitzumischen. Als Bergführer geht man nicht unbedingt
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