In eisige Höhen
erwischt«, sagte er. »Ich hab selten einen so schlimmen Fall von einem Lungenödem gesehen. Sie hätten ihn gestern rausfliegen sollen, als es noch ging. Ich schätze mal, das Ganze ist vor allem deshalb so planlos über die Bühne gegangen, weil er
ein Sherpa und nicht Scotts Kunde ist. Gut möglich, daß es zu spät ist, bis sie ihn endlich nach Pheriche geschafft haben.«
Als der sieche Sherpa am Mittwoch abend nach zwölf stündigem Marsch vom Basislager in der HRA-Klinik von Pheriche ankam, verschlechterte sich sein Zustand weiter, obwohl er sich nun bei 4300 Metern befand (einer Höhe, die nur unwesentlich über der des Dorfes liegt, in dem er den größten Teil seines Lebens verbracht hatte.) Hunt sah sich gezwungen, ihn gegen seinen Willen in einen unter Druckluft stehenden Gamow-Sack zu stecken. Ngawang wollte oder konnte die Vorteile dieser kleinen aufblasbaren Kammer jedoch nicht einsehen und hatte Riesenangst davor. Er bat darum, daß ein buddhistischer Lama herbeigerufen wurde, und erst als man ihm versprach, Gebetbücher zu ihm in den Sack zu legen, beugte er sich dem Willen der Ärzte und ließ sich per Reißverschluß in die klaustrophobische Enge einschließen.
Damit der Gamow-Sack auch wirklich funktioniert, muß ständig mittels einer Fußpumpe frische Luft hinzugeführt werden. Hunt, die sich praktisch nonstop achtundvierzig Stunden um Ngawang gekümmert hatte, betraute Mittwoch nacht völlig erschöpft Ngawangs Sherpa-Freunde damit, Luft in den Sack zu pumpen. Während sie schlief, bemerkte einer der Sherpas durch das Sichtfenster des Sacks, daß Ngawang Schaum vor dem Mund hatte und anscheinend nicht mehr atmete.
Hunt, die man daraufhin weckte, riß auf der Stelle den Sack auf und begann mit Wiederbelebungsversuchen. Außerdem rief sie Dr. Larry Silver herbei, einen der Freiwilligen, die in der HRA-Klinik arbeiten. Silver führte einen kleinen Schlauch in Ngawangs Luftröhre ein und preßte mit einem »Ambu-Sack« einer Handpumpe aus Gummi – Luft in seine Lungen. Ngawang fing wieder an zu atmen – allerdings erst nach vier bis fünf Minuten, in denen sein Gehirn ohne Sauerstoffzufuhr blieb.
Zwei Tage später, am Freitag, dem 26. April, klarte das Wetter schließlich genügend auf, um Ngawang mit dem Hubschrauber evakuieren zu können. Er wurde zu einem Krankenhaus in Katmandu geflogen, wo die Ärzte jedoch erklärten, daß er schwere Gehirnschäden davongetragen habe. Ngawang vegetierte nur noch dahin. In den Wochen danach hockte er lethargisch im Krankenhaus herum, starrte mit leeren Augen die Decke an, die Arme fest am Körper. Seine Muskeln schwanden, und sein Körpergewicht sank unter vierzig Kilo. Mitte Juni starb er und hinterließ eine Frau mit vier Töchtern in Rolwaling.
Seltsamerweise wußten die meisten Bergsteiger auf dem Everest weniger über Ngawangs Schicksal als Zehntausende von anderen Menschen fernab am anderen Ende des Erdballs. Dieser Informationssprung war dem Internet zu verdanken, und für uns im Basislager war dies, gelinde gesagt, surreal. So kam es zum Beispiel durchaus vor, daß ein Teamgefährte über Satellitentelefon zu Hause anrief und von seiner in Neuseeland oder Michigan im World Wide Web surfenden Frau erfuhr, was die Südafrikaner auf Camp Zwei trieben.
Korrespondenten im Everest-Basislager schickten über mindestens fünf Internetdienste Nachrichten 22 in den Äther. Das südafrikanische Team und Mal Duffs International Commercial Expedition hatten ihren eigenen Dienst.
Von
Nova,
der PBS-Fernsehshow, wurde ein ausführlicher und sehr informativer Internetdienst herausgebracht, mit täglich aktualisierten Beiträgen von Liesl Clark und der anerkannten Everest-Historikerin Audrey Salkeld. Die beiden gehörten zum Team der MacGillivray Freeman IMAX-Expedition. (Das IMAX-Team wurde von dem preisgekrönten Filmemacher und erstklassigen Bergsteiger David Breashears geleitet, der 1985 Dick Bass den Everest hochgeführt hatte. Breashears drehte gerade über die Besteigung des Berges einen Fünfeinhalb-Millionen-Dollar-Film für Giga-Leinwände.) Scott Fischers Expedition waren gleich zwei Korrespondentinnen angeschlossen, die für zwei miteinander konkurrierende Dienste Online-Nachrichten abfaßten.
Jane Bromet, die täglich über Telefon für
Outside Online
23 berichtete, war eine der Korrespondentinnen in Fischers Team. Sie war jedoch keine zahlende Kundin und hatte keine Genehmigung, über das Basislager hinauszuklettem. Die andere
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