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In eisige Höhen

Titel: In eisige Höhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Krakauer
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einen ständig mit Geschichten über sich selbst vollquatschte«, erinnert sich Jane Bromet. »Aber sie war kein schlechter Mensch. Sie hat die Stimmung der Gruppe nicht runtergerissen. Im Gegenteil, sie war unternehmungslustig und beinahe immer guter Laune.«
    Dennoch gab es außerhalb ihres Teams mehrere ausgezeichnete Alpinisten, die sie für eine Dilettantin ersten Ranges hielten. Nach ihrem erfolglos abgebrochenen Vorstoß von 1994, den Everest über die Kangshung-Flanke zu besteigen, wurde eine Fernsehwerbung für Vaseline Intensive Care von namhaften Alpinisten lautstark verhöhnt; Pittman wurde in der Werbung als »Weltklasse-Bergsteigerin« dargestellt. Sie selbst jedoch hat dergleichen nie in der Öffentlichkeit von sich behauptet. Im Gegenteil, in einem Artikel für
Men‘s Journal
bat sie Breashears, Lowe, Swenson und Blanchard mit der Feststellung um Nachsicht, »daß ich eine passionierte Hobby-Alpinistin bin, die ihre Fähigkeiten nicht mit deren Weltklasse-Können verwechselt wissen will«.
    Pittmans namhafte Gefährten des Versuchs von 1994 hatten nichts Abfälliges über sie zu sagen, zumindest nicht öffentlich. Breashears wurde nach der Expedition sogar zu einem engen Freund, und Swenson verteidigte sie wiederholt gegen ihre Kritiker. »Weißt du«, erklärte mir Swenson auf einem Empfang in Seattle, kurz nachdem sie beide vom Everest zurückgekehrt waren, »Sandy ist vielleicht keine große Bergsteigerin, aber auf der Kangshung-Flanke hat sie ihre Grenzen erkannt. Ja, es stimmt, daß Alex, Barry, David und ich immer vorangegangen sind und die ganzen Seile befestigt haben, aber sie hat auf ihre Art zu dem Unternehmen beigetragen, durch ihre positive Einstellung und dadurch, daß sie das Geld aufgetrieben und sich um die Publicity gekümmert hat.«
    Pittman mangelte es jedoch nicht an Gegnern, die über sie lästerten. Viele Leute nahmen ihr übel, daß sie mit ihrem Reichtum protzte und sich immer wieder schamlos ins Rampenlicht stellen mußte. Wie Joanne Kaufmann einmal im
Wall Street Journal
schrieb:
Ms. Pittman war in gewissen höheren Kreisen besser als gesellschaftliche Aufsteigerin denn als Bergsteigerin bekannt. Sie und Mr. Pittman tauchten regelmäßig auf all den politisch korrekten Soirees und Wohltätigkeitsveranstaltungen und in allen wichtigen Klatschkolumnen auf. »Viele Rockschöße wurden zerknittert, weil Sandy Pittman sich an sie hängte«, sagt ein vormaliger Geschäftspartner von Mr. Pittman, der namentlich nicht erwähnt werden wollte. »Sie ist an öffentlicher Publicity interessiert. Ich glaube nicht, daß sie bergsteigen würde, wenn sie es außerhalb des Rampenlichts tun müßte.«
    Ob nun zu Recht oder Unrecht, Pittman war für ihre Lästerer der Inbegriff alles Verabscheuungswürdigen an Dick Bass' Popularisierung der Sieben Gipfel und der darauffolgenden Entwertung des höchsten Berges der Erde. Aber so abgeschirmt, wie sie durch ihr Geld, dem bezahlten Personal und ihrer unbeirrbaren Egozentrik nun einmal war, sah sie über die Abneigung und die Verachtung, die sie in anderen hervorrief, einfach hinweg. Sie bemerkte sie nicht einmal und glich darin Jane Austens Emma.
     

KAPITEL NEUN
    Camp Zwei
28. April 1996
6.500 Meter

Wir erzählen uns Geschichten, um zu leben... Wir suchen nach der Predigt im Selbstmord, nach der sozialen oder moralischen Lektion im fünffachen Mord. Wir deuten, was wir sehen, wählen aus den vielfältigen Möglichkeiten die brauchbarste aus. Wir leben voll und ganz, besonders wenn wir Schriftsteller sind, indem wir nicht zu vereinbarende Bilder nach einer bestimmten Erzählweise einrichten und nach den »Vorstellungen«, mit denen wir die wechselnde Phantasmagorie unserer tatsächlichen Erfahrung einzufrieren gelernt haben.
    JOAN DIDION
    Das weiße Album
     
    Ich war bereits wach, als der Wecker meiner Armbanduhr um vier Uhr in der Früh zu piepsen begann; ich hatte fast die ganze Nacht wach gelegen und in der dünnen Luft nach Atem gerungen. Und jetzt war es an der Zeit, mit dem scheußlichen Ritual zu beginnen und aus der Wärme meines Daunenfedernkokons in die bittere Kälte von 6500 Metern über dem Meer hinauszukrabbeln. Vor zwei Tagen – am Freitag, dem 26. April – waren wir in einem einzigen langen Tag vom Basislager bis hinauf zu Camp Zwei geklettert, unser dritter und letzter Akklimatisierungsausflug als Vorbereitung für den Gipfelanstieg. An diesem Morgen sollten wir nach Robs großem Plan von Camp Zwei nach Camp Drei klettern und

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