In eisige Höhen
wieder aufgesetzt und wollte nicht mit sich reden lassen. Alle meine Überredungskünste halfen nicht, sie davon zu überzeugen, daß ihr Sauerstoff aus war und daß die Maske sie nur am Atmen hindert. Beck war mittlerweile so schwach, daß er nicht mehr ohne fremde Hilfe gehen konnte, und ich mußte ihn mit der Schulter stützen. Zum Glück ist dann genau zu der Zeit Neal zu uns aufgeschlossen.« Beidleman, der sah, daß Groom sich mit Weathers abplackte, machte sich daran, Namba Richtung Camp Vier zu schleppen, obwohl sie nicht zu Fischers Team gehörte.
Es war jetzt ungefähr 18 Uhr 45 und beinahe völlig dunkel. Beidleman, Groom, ihre Schutzbefohlenen und zwei Sherpas aus Fischers Team, die verspätet aus der Dunkelheit aufgetaucht waren – Tashi Tshering und Ngawang Dorje –, hatten sich zu einer Gruppe zusammengeschlossen. Obwohl sie nur schleppend vorankamen, waren sie schließlich nur noch 70 Höhenmeter von Camp Vier entfernt. Zu dem Zeitpunkt kam ich gerade bei den Zelten an – wahrscheinlich nicht mehr als 15 Minuten vor den ersten der Beidleman-Gruppe. Aber in dieser kurzen Zeitspanne war der Sturm plötzlich in einen mit voller Wucht daherfegenden Orkan ausgeartet, und die Sichtweite sank auf sechs, sieben Meter.
Um den gefährlichen Eisbuckel zu vermeiden, nahm Beidleman mit seiner Gruppe einen Umweg, der im weiten Bogen nach Osten führte, wo der Hang weniger steil war. Um 19 Uhr 30 erreichten sie dann den weitläufigen, sanft geschwungenen Südsattel. Mittlerweile hatten jedoch nur noch drei oder vier Leute Stirnlampen mit Batterien, die noch nicht leer waren, und alle standen kurz vor dem Zusammenbruch. Fox war immer mehr auf Madsens Hilfe angewiesen. Weathers und Namba konnten sich nicht mehr fortbewegen, ohne von Groom und Beidleman gestützt zu werden.
Beidleman wußte, daß sie sich auf der östlichen, tibetanischen Seite des Sattels befanden und daß die Zelte irgendwo westwärts sein mußten. Aber diese Richtung einzuschlagen hieß, direkt gegen den schneidend kalten Sturm zu marschieren. Vom Wind aufgepeitschte Eis- und Schneekristalle schlugen den Bergsteigern mit gewaltiger Wucht ins Gesicht und zerkratzten ihnen die Augen, so daß sie nicht einmal mehr sahen, wohin sie gingen. »Es war dermaßen strapaziös und qualvoll«, erklärt Schoening, »daß man unweigerlich dazu geneigt hat, sich vom Wind abzuwenden, schräg nach links auszuweichen, und das war unser Fehler.«
»Manchmal haben wir nicht einmal mehr unsere Füße gesehen, so heftig hat es gestürmt«, fährt er fort. »Ich war ständig in Angst, daß jemand sich einfach hinsetzt oder den Anschluß an die Gruppe verliert und wir ihn nie mehr wiedersehen. Als wir dann aber den flachen Sattel erreicht haben, sind wir den Sherpas gefolgt, und ich dachte, sie wissen bestimmt, wo das Lager ist. Dann sind sie plötzlich stehengeblieben und haben kehrtgemacht, und da war natürlich klar, daß sie überhaupt keine Ahnung haben, wo wir sind. Da wurde mir nun wirklich langsam mulmig. Da ist mir zum ersten Mal klargeworden, wie ernst die Lage ist.«
Die nächsten zwei Stunden wankten Beidleman, Groom, die beiden Sherpas und die sieben Kunden blind im Sturm herum und hofften inständig, zufällig beim Lager auszukommen, immer mehr an Erschöpfung und Unterkühlung leidend. Einmal stießen sie auf ein paar weggeworfene Sauerstoffbehälter, die darauf schließen ließen, daß die Zelte nicht mehr weit waren, aber die Bergsteiger konnten sie einfach nicht orten. »Es war das totale Chaos«, erzählt Beidleman. »Die Leute irren kreuz und quer durcheinander. Ich schreie jeden an und versuche sie dazu zu kriegen, in Reih und Glied zu bleiben. Schließlich, wahrscheinlich so gegen zehn Uhr, gehe ich diesen kleinen Hügel hoch, und plötzlich habe ich das Gefühl, am Abgrund der Erde zu stehen. Ich habe eine riesige Leere direkt unterhalb von mir gespürt.«
Der Troß hatte sich in seiner Ahnungslosigkeit an das östliche Ende des Sattels verlaufen, an den Rand der 2.000 Meter abfallenden Kangshung-Wand. Sie befanden sich auf gleicher Höhe mit Camp Vier, nur 300 Meter vom sicheren Schutz entfernt 33 , aber, wie Beidleman weitererzählt: »Mir war klar, wenn wir weiter im Sturm herumirren, ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir jemanden verlieren. Ich war völlig erschöpft und hab's kaum noch geschafft, Yasuko zu stützen. Charlotte und Sandy konnten kaum noch stehen. Ich hab dann also geschrien, daß sich alle hinhocken und aneinanderkauern
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