In eisige Höhen
sollen, bis der Sturm ein wenig abklingt.«
Beidleman und Schoening machten sich auf die Suche nach einer windgeschützten Stelle, aber da war weit und breit nichts. Die Sauerstoffvorräte waren allen längst ausgegangen, was die Gruppe nur noch anfälliger für die Windkälte machte, die teilweise bei über 75 Grad minus lag. Die Kletterer hockten wie ein jämmerlicher Haufen im Windschatten eines Felsblocks zusammengekauert, der kaum größer als eine Geschirrspülmaschine war, auf vom Sturm blankpoliertem Eis. »Die Kälte hatte mich inzwischen fast geschafft«, erzählt Charlotte Fox. »Mir waren die Augen zugefroren. Ich hatte keine Ahnung, wie wir da lebend wieder rauskommen sollten. Die Kälte tat so weh, daß es einfach nicht auszuhalten war. Ich habe mich kugelrund zusammengerollt, den Tod erwartet und nur gehofft, daß es alles ganz schnell geht.«
»Wir haben gegenseitig auf uns eingetrommelt, um uns warm zu halten«, weiß Weathers noch. »Irgend jemand hat uns zugeschrien, daß wir die Arme und Beine in Bewegung halten sollen. Sandy war völlig hysterisch. Sie hat die ganze Zeit geschrien: ›Ich will nicht sterben! Ich will nicht sterben!‹ Aber sonst hat niemand viel gesagt.«
300 Meter weiter westlich lag ich am ganzen Leib zitternd in meinem Zelt – und das, obwohl ich dick eingepackt mit meinem Daunenanzug und jedem Fetzen Kleidung, den ich besaß, im Schlafsack lag. Der Sturm war drauf und dran, das Zelt zu zerfetzen. Jedesmal, wenn der Eingang geöffnet wurde, kamen ganze Wolken von Schneestaub hereingeweht, so daß innen alles mit einer zwei Zentimeter dicken Schneeschicht bedeckt war. Ich hatte keine Ahnung von der Tragödie, die sich draußen im Sturm abspielte. Immer wieder verfiel ich in eine Art Delirium, in das Erschöpfung, Dehydrierung und all die verschiedenen Wirkungen des Sauerstoffmangels mich versetzt hatten.
Irgendwann am frühen Abend kam Stuart Hutchison, mein Zeitgenosse, herein, schüttelte mich heftig und fragte, ob ich mit ihm nach draußen gehen würde, um auf Töpfe zu schlagen und mit Stirnlampen Lichtsignale in den Himmel abzusenden. Vielleicht konnte man dadurch ja ein paar verirrten Kletterern den Weg zum Lager weisen. Ich war jedoch zu schwach und zu wirr, um zu antworten. Hutchison – der bereits um 14 Uhr im Lager eingekehrt war und von daher erheblich weniger geschwächt war als ich – versuchte dann ein paar von den Kunden oder den Sherpas in den anderen Zelten für seinen Plan zu gewinnen. Alle litten entweder zu sehr unter der Kälte oder waren zu erschöpft. Also ging Hutchison allein in den Sturm hinaus.
Sechsmal verließ er in jener Nacht unser Zelt, um nach fehlenden Kletterern zu suchen, aber der Schneesturm war so stark, daß er sich nie viel weiter als ein paar Meter über den Rand des Lagers hinauswagte. »Die Winde wehten mit der Heftigkeit von Kugelgeschossen«, betonte er. »Der Schneestaub ist wie aus einem Sandstrahlgebläse auf einen eingedrungen. Ich konnte immer nur eine Viertelstunde draußen bleiben, dann ist mir zu kalt geworden und ich bin ins Zelt zurück.«
Beidleman wiederum, der immer noch mit den anderen am Ostrand des Sattels ausharrte, nahm seinen ganzen Willen zusammen, um auf dem Posten zu bleiben und auf ein Zeichen zu warten, daß der Sturm sich vielleicht ausblies. Kurz vor Mitternacht wurde seine Wachsamkeit belohnt, er hatte ein paar Sterne am Himmel entdeckt und rief den anderen zu, zu schauen. Am Boden peitschte weiterhin ein tosender Schneesturm, aber weit oben klarte sich der Himmel allmählich auf und enthüllte die kantigen Silhouetten des Everest und des Lothse. Klev Schoening meinte, daß er, ausgehend von diesen Orientierungspunkten, jetzt wisse, wo die Gruppe sich im Verhältnis zu Camp Vier befand. Nachdem er und Beidleman sich eine Weile gegenseitig angeschrien hatten, konnte er den Bergführer überzeugen, daß er wußte, wo die Zelte sind.
Beidleman versuchte nun die Leute dazu zu bringen, sich wieder auf die Beine zu machen und Schoening zu folgen, aber Pittman, Fox, Weathers und Namba waren zu schwach dazu. Dem Bergführer war nun klar, daß alle sterben würden, wenn nicht bald irgend jemand aus der Gruppe es zu den Zelten schaffte und ein Rettungsteam zusammentrommelte. Beidleman versammelte also jene um sich, die sich noch aus eigener Kraft fortbewegen konnten, und dann wankten er, Schoening, Gammelgaard, Groom und die beiden Sherpas in den Sturm
hinaus, um Hilfe zu holen. Die vier völlig außer
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