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In eisigen Kerkern (German Edition)

In eisigen Kerkern (German Edition)

Titel: In eisigen Kerkern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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Andi?“
    Nelli dachte an Rolf, der sich ausgenutzt und abgeschoben vorkommen musste; sie dachte an Stefanies wutverzerrtes Gesicht und ihre Drohung; an Monika letztlich, die zwar nicht viel gesagt hatte, als sie ihr die elende Geschichte gebeichtet hatte, der ihre Verbitterung aber anzusehen gewesen war. Nelli hatte das nicht zu sich durchgelassen, bisher, aber wenn sie sich diese maskenhaft erstarrten Züge in Erinnerung rief... – sie hatte Monika ziemlich unverblümt gesagt, dass sie es gehasst hatte, für sie verantwortlich zu sein, und dass sie letztlich vor ihrer Rolle als Stiefmutter davongelaufen war.
    „Nelli?“
    Wächter berührte sie leicht am Arm, und sie schreckte aus ihren Gedanken.
    „Was?“
    „Ich fragte, ob niemand anders als Andi...“
    „Nein, nicht in dem Maß. Es war zwar aus Notwehr, aber ich hab ihm sein Projekt kaputtgemacht, seine Existenz, sein ganzes Leben. Er muss sich verstecken, steht in aller Welt als Massenmörder da, muss zusehen, wie Sie Touristen zu seinem geheiligten Eislabyrinth karren und alles entweihen, was ihm so wichtig war. Alles wegen mir, die ich eigentlich die Krönung seines Projektes werden sollte, so pervers das klingt. Er muss mich grenzenlos hassen.“
    „Aber er ist tot.“
    Nelli nickte.
    „Aber wenn er nicht tot ist, dann will er nicht nur Rache, er braucht auch Geld. Hier oben kann er sich nicht ewig verstecken. Es würde alles zusammenpassen.“
    „Würde es nicht. Sie wollen sich mit dieser Möglichkeit nur einen Ausschlupf konstruieren.“
    „Wieso das denn?“
    „Weil ein Andi, der sich hier oben versteckt und sie hierher locken musste, um überhaupt Rache nehmen zu können, in seinem Wirkungskreis beschränkt und demnach keine Gefahr für Monika wäre. Sie könnten dann aufatmen und wären Ihre Sorgen um sie los. Sie könnten Ihr Geld behalten und wieder in die Welt hinausziehen.“
    „Aber wer immer mich da angegriffen hat, könnte es auch getan haben, um zu verhindern, dass ich in die Welt hinausziehe. Fahrrad kaputt, Bargeld und Papiere weg, damit bleiben mir nicht sehr viele Möglichkeiten.“
    Wächter nickte anteilnehmend.
    „Ich würde sagen, genauso sieht’s aus.“
     
    Als Nelli, ohne Ruhe oder gar Schlaf gefunden zu haben, am Nachmittag gegen 15 Uhr zum Hörer des Satellitentelefons griff, um Fiona Herolder anzurufen, hatte sie die Möglichkeit ausgeschlossen, sich der Polizei anzuvertrauen. Platzer oder wer auch immer sich des Falles annehmen würde, käme gar nicht umhin, zuerst mal ihr die Frage zu stellen, warum sie zum Pass zurückgekehrt war und was sie am Gletscher zu suchen hatte.
    Darauf hätte sie nicht antworten können, ohne sich zu verhaspeln. Vielleicht würde der Andi-Fall daraufhin in einem ganz anderen Licht betrachtet werden. Letztlich konnte ihr das alles zwar egal sein, sie hatte nichts Ungesetzliches getan, aber trotzdem. Befragungen, alles noch mal erzählen müssen, schon der Gedanke daran löste in ihr heftige Fluchtreaktionen aus.
    Lieber bezahlen. Die Herolder wird’s schon richten. Nach wie vor mochte sie diese Frau zwar nicht besonders, aber seit ihrer souveränen Reaktion auf den Erpresserbrief sah sie in ihr eine Art Zweckverbündete und moralische Stütze.
    Wächter hatte sich wieder diskret in Andis Büro verzogen. Nelli saß mit Blick auf die Mehlsäcke auf dem Stuhl und lauschte dem Freizeichen. Die Klappe im Boden war jetzt völlig verdeckt.
    Wozu brauchte man so viel Mehl? Es kam Nelli so vor, als hätten die Säcke nur die Funktion, die Klappe im Boden zu verbergen und zu verschließen. Vielleicht schon damals, zu Andis Zeiten. Der hatte doch erst recht kein Mehl gebraucht für die Wurstbrote, die er seinen Gästen vorsetzte. Das Brot war täglich frisch über den Lift aus dem Tal nach oben geschickt worden, und so war es wohl immer noch.
    „Hallo?“
    „Ja, hallo, Frau Herolder?“
    „Nelli, wie geht es Ihnen?“
    Die Herolder klang für ihre Verhältnisse ausgesprochen freundlich, auch erleichtert, aber beides wirkte aufgesetzt.
    „Nicht so gut. Ich komme gleich zur Sache, weil dieses Gespräch bestimmt sehr teuer ist. Ich bin angegriffen und beraubt worden, und ich nehme an, es war die Person, die diesen Brief geschrieben hat.“
    „Haben Sie den Angreifer denn nicht gesehen?“, fragte die Herolder, und auf einmal war ihre Stimme wie ausgewechselt: Die Reporterin hatte eine spannende Information aufgeschnappt und hakte nach.
    „Nein, es war dunkel, und ich war im Zelt. Der

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