In eisigen Kerkern (German Edition)
dir sage, dann sterben wir!“, schrie Nelli. „Kapierst du das nicht? Sie lässt uns hier drin erfrieren. Willst du das?“
„Nein, aber ich bin einfach zu schwach.“
„Wenn ich sie weiter festhalte, dann musst du sie umbringen. Irgendwie, such eine Waffe!“
Gerda lachte auf.
„Aber hier ist keine Waffe!“
„Rolfs Gürtel. Schau nach, er muss ihn noch umhaben.“
„Der tote Junge?“
„Ja. Zieh ihm den Gürtel aus der Hose.“
„Und was soll ich damit machen?“
„Leg ihn Gerda um den Hals und zieh zu!“
Gerda zog ruckartig an Nellis Griff und schaffte es fast, sie abzuschütteln. Nelli hängte sich mit ihrem vollen Gewicht an den Arm und überdehnte das Gelenk so weit, dass Gerda erstmals schrie vor Schmerz.
„Moni, los jetzt!“
In ihrem rechten Blickfeld tauchte Monika auf. Sie hielt den Gürtel mit beiden Händen umklammert und wie eine Abwehrwaffe gegen Gerda gerichtet.
„Ihr Hals ist so dick.“
„Bestimmt nicht dicker als Rolfs Bauch. Mach schon!“
Gerda zog den Kopf ein und versuchte jetzt mit aller Gewalt, aus dem Loch herauszukommen. Monika traute sich endlich nah genug an sie heran, um ihr den Gürtel um den Nacken zu legen. Sie fädelte den Riemen durch die Schnalle und versuchte, nach unten gerichtet zuzuziehen.
„Nach oben“, keuchte Nelli, „wie beim Erhängen.“
Gerda drückte ihr Kinn gegen die Brust. Monikas zaghafte Versuche, ihr mit dem Gürtel die Kehle abzuschnüren, bewirkten nicht das Geringste.
„Ich kann das einfach nicht!“
„So wird das auch nichts. Wir brauchen die Plastiktüte!“
„Was?“
„Andi hat in irgendeiner Tasche eine Plastiktüte stecken. Hol sie her, schnell!“
„Der Tote mit Bart?“
Monika verzog angewidert das Gesicht.
„Wer denn sonst? Beeil dich!“
Monika verschwand nach hinten, fummelte lautstark herum und stöhnte auf.
„Der stinkt so.“
„Genauso werden wir auch bald stinken!“
„Da ist was. Eine ganz normale Tüte?“
„Her damit. Du musst sie ihr über den Kopf stülpen. Dann mit dem Gürtel dichtmachen und zuziehen.“
Monika war mit der aufgefalteten Tüte neben sie gekommen und schaute sie entsetzt an.
„Nur, bis sie das Bewusstsein verliert. Mach schon!“
Mit spitzen Fingern begann Monika, die Tüte über Gerdas struppigen Kopf zu ziehen. Die wehrte sich jetzt mit aller Kraft. Nelli spürte ihre Panik, mobilisierte die letzten Kräfte und hebelte den Arm über den Spannungspunkt des Gelenks hinaus. Die Bänder begannen zu reißen.
Gerda schrie auf, und Monika begriff endlich den Ernst der Situation, fummelte das Plastik an Gerdas Hals zusammen, zog mit dem Gürtel zu und riss die Schlaufe nach oben. Gerdas hektische Atmung sog ihr das dünne Plastik eng ums Gesicht, die Panik des Erstickens pumpte ihr zusätzliche Kräfte in die Muskeln.
Nelli starrte auf die Tüte, die Gerdas Kopfform angenommen hatte. Ein rotes Herz auf weißem Grund prangte auf ihrem Gesicht, darüber liefen im Dreieck die Buchstaben „INY“ – eine ihrer eigenen Tüten. Andi musste sie aus ihrem Gepäck stibitzt haben.
Die Tüte hatte sich wie eine zweite Haut um Gerdas Gesicht gelegt. Ihre gierig saugenden Atemzüge ließen das dünne Plastik rascheln, ihr Zappeln wurde kraftloser.
„Woher wissen wir, wann sie wirklich betäubt ist?“, fragte Monika.
„Fest zugezogen lassen“, keuchte Nelli. Lieber zu lang als zu kurz. Bloß kein falsches Mitleid mit diesem Biest.
Gerda erschlaffte in ihrem Griff.
„Vielleicht markiert sie nur?“, fragte Monika, begann aber schon, die Hand mit dem Gürtel sinken zu lassen.
„Warte noch. Ich glaube...“
Draußen, hinter Gerdas feistem Körper, der den Fluchtweg verstopfte, knallte es.
Nelli und Monika zuckten zusammen. Erst jetzt erschlaffte Gerdas Körper wirklich.
„Was war das?“, fragte Monika mit riesengroß geweiteten Augen und zog den Gürtel mit einem Ruck wieder an. Sie strangulierte eine Leiche.
Nelli fragte sich, worin der Unterschied bestand. Aus der Restspannung der Betäubten oder betäubt Markierenden war kraftlose Schwere geworden.
Zweifelsohne war das ein Schuss gewesen. Nelli verkniff es sich, das laut auszusprechen, Monika war panisch genug.
„Was machen wir denn jetzt?“
„Ganz ruhig“, antwortete Nelli leise und ließ Gerdas Arm vorsichtig los. Wie ein Stein fiel die Hand zu Boden. Die dicken Finger schleiften gekrümmt über dem Eisboden. Ihr Körper blieb im Loch stecken.
Also war Wächter doch nicht tot gewesen. Aber was würde
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