In eisigen Kerkern (German Edition)
dazwischen.
„Aber Sie können die anderen beiden überreden, oben aufzusperren. Oder uns wenigstens den Schlüssel unter der Tür durchzuschieben.“
„Und dann?“
„Was dann?“
„Ihr wollt doch immer noch Geld.“
„Wollen wir nicht.“
„Wollen wir schon.“
„Maul halten, du Hirni!“
„Wenn ich raus komme, dann habt ihr eine Geisel, um Monika zu zwingen, den Schlüssel herzugeben.“
„Aber das ist doch in aller Interesse!“, schrie einer der beiden, es klang nach dem Hageren.
Die Typen hatten Schiss. Sie waren unterm Strich die Eingesperrteren. Als Nelli begriff, dass sich die Lage für sie trotz allem gebessert hatte, entspannte sie sich. Komplizierter als vorher, aber man konnte mehr daraus machen. Sie hatten die Schlüsselgewalt.
Durstmäßig waren die Kerle zwar um einen Tag besser dran, aber sie hatten auch die schwächeren Nerven.
„Ich muss erst mal nachdenken“, sagte Nelli betont ruhig. „Haltet so lang die Klappe.“
„Das gibt’s doch wohl nicht!“, schrie der Dicke, und es folgte ein Stakkato von Schlägen und Tritten gegen die Tür. Nelli erschrak und wich zwei Schritte zurück in den Raum. Die Tür hier war nicht so stabil wie die drüben. Vielleicht war sie doch nicht so sicher wie sie meinte.
„Jetzt hör schon auf“, fauchte der Hagere halblaut. „Spar dir deine Kräfte für die obere Tür. Vielleicht lässt sie sich doch irgendwie aufhebeln.“
Das Gehämmere hörte auf.
Nelli meinte Schritte und sich entfernendes Geflüster zu hören, dann war es ruhig.
Zwischen ihrem und Monikas Raum lag ein anderer, vielleicht waren es auch zwei andere Räume, und fünf Meter Flur – keine Chance, sich zu verständigen, schon gar nicht, ohne dass die zwei Kerle es mitbekamen.
Was ließ sich aus der Lage machen? Wie lange konnte sie auf Zeit spielen? Mehrere Tage? Ihr Durst war quälend, aber noch nicht lebensgefährlich.
Sie musste sich einen Plan machen. Papier gab es hier genug. Auf einem der Regale lag ein alter Bleistift.
Die Erkenntnis traf Nelli so unvermittelt, dass es sie fast umhaute. Das Recherche-Archiv der Herolder!
Nelli vergaß augenblicklich ihre Lage, vergaß, was sie vorgehabt hatte zu planen, vergaß die zwei Bewacher draußen und sogar Monika und die Herolder. Sie zerrte den erstbesten Papierstapel aus einem der Regale und machte sich mit den fahrigen Fingern einer Süchtigen auf Entzug daran, das Material zu durchstöbern.
Etwas riss sie aus ihrer totalen Konzentration.
Nelli hatte das größere der drei wandhohen Regale komplett ausgeräumt, jeden Papierfetzen gesichtet und fallengelassen. Es sah in dem Kellerraum aus wie in einem explodierten Altpapiercontainer. Sie wollte sich dem nächsten Regal zuwenden, als sie etwas hörte, das ihr eine Gänsehaut verursachte, ohne dass sie zunächst begriff, was es sein könnte.
Widerwillig stand Nelli auf, legte ein Ohr an die Tür und lauschte.
Was war das? Schreie? Weit entfernt, daher gedämpft und kaum zu hören, aber dort wo sie ausgestoßen wurden, mussten sie gellend laut sein. Es klang wie – Todesschreie.
„Was zum Teufel ist das?!“
„Was?“
Boris hing an einem Heizungsrohr, versuchte sich hochzuziehen und nach links zu hangeln, wo in zwei Metern Höhe ein winziges, vergittertes Fensterchen schachtartig in die Wand eingelassen war. Knallrot im Gesicht vor Anstrengung und Heizkessel-Hitze starrte er hinunter zu German, der zur Tür hin lauschte.
„Keine Ahnung, klang wie ein irres Gebrüll.“
„Dann schau mal nach, na los!“
„Wieso denn ich?“
„Jetzt frag nicht so blöd!“
Boris wandte sich ab, wollte sich weiterhangeln, aber seine Kräfte reichten nicht. Er gab auf und sprang zu Boden.
„Verdammter Scheißmist!“
„Da geht es eh nicht raus“, murmelte German abgelenkt und lauschte weiterhin zur Tür hin, ohne sich zu rühren.
„Für dich vielleicht nicht mit deiner fetten Wampe.“
„Du kriegst das Gitter gar nicht auf.“
„Hast du vielleicht eine bessere Idee?“
„Ne. Jetzt hat es aufgehört.“
„Und was war es?“
„Keine Ahnung.“
„Jetzt geh schon nachschauen. Keine Angst, ich komm ja mit.“
Boris gab German einen Schubs und drängte sich an ihm vorbei zur Tür.
„Ich hab keine Angst. Aber das klang ziemlich schauderhaft.“
Sie gelangten durch einen Nebenraum zurück in den schmucklosen, weiß getünchten Hauptkellergang. Links lag der Raum, in den Nelli sich gerettet hatte, rechts ging es die Treppe hoch. Geradeaus und dann
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