In eisigen Kerkern (German Edition)
Papier.
Das Vorratslager, das hier angeblich ganz in der Nähe war, musste zwischen diesem Raum und ihrem vorherigen Gefängnis liegen. Vielleicht hatte Monika sich dort hinein retten können. Und wenn ja, hatten die Typen dann vielleicht aufgegeben und sich davongemacht?
Nelli lauschte an der Tür in verschiedenen Höhen, am Türschlitz, am Schlüsselloch – nichts.
„Hallo?“, versuchte sie es zaghaft.
Ein Krachen und Rumpeln, Stimmen, ein unterdrücktes Fluchen. Aber das war keine Reaktion auf ihr Hallo gewesen. Die Lebenszeichen hatten wie aus weiter Ferne geklungen, aus einem anderen Winkel des Hauses.
Hatte Monika es geschafft, sich nach oben durchzuschlagen? Hatte sie nicht mitbekommen, dass Nelli noch hier unten war? Suchte sie oben nach ihr? Aber was war mit den Kerlen geschehen? Die konnte sie doch unmöglich beide überwältigt haben – oder doch?
Sie musste hier raus!
„Alles mal herhören!“, schrie draußen eine Männerstimme. Es klang militärisch-aggressiv, als gelte es auf den Kasernenhof herauszutreten, als herrsche Alarm, als drohe der Ernstfall. Wessen Stimme war das?
„Wir haben hier ein klassisches Unentschieden“, rief der Mann jetzt deutlich weniger schreiend, klarerer, erkennbarer – der Hagere. Nelli hatte Schlüssel und Türdrücker schon in den Händen gehabt. Sie ließ beides los und lauschte.
„Das heißt, ihr habt es geschafft“, tönte der Hagere weiter. „Wir strecken die Segel und bieten euch einen Vergleich an. Was sagt ihr dazu?“
Pause, Schweigen, Atmen.
Flüsterten die?
Plötzlich wieder Geschrei:
„Hei, verdammt noch mal! Antwortet gefälligst!“
Hämmern gegen eine Tür. Nicht Nellis Tür, es musste die sein, hinter der die Herolder lag und Monika hoffentlich in Sicherheit gelangt war – war sie ganz offensichtlich, wozu sonst das Gerede dieses Hageren? Er ignorierte Nelli völlig. Irgendwas wollte er von den anderen. Es hörte sich nicht an wie eine Finte.
„Ich schlag euch folgendes vor...“
Er klang wieder deutlich ruhiger, klang gezwungen verhandlungsbereit. Klang fern und Nellis Gegenrichtung zugewandt, kaum zu verstehen. Die standen vor der anderen Kellertür und wollten was von Monika. Von der Herolder konnten sie ja wohl kaum was wollen. Warum antwortete Monika nicht?
„Schiebt uns einfach den Schlüssel für oben unter der Tür durch. Wir verschwinden, und ihr seid frei. Wie klingt das?“
Schweigen war die Antwort.
„Ich weiß genau, dass ihr nur blufft!“, schrie jetzt der Fettsack in die Stille hinein. „Antwortet gefälligst!“
„Lass mich das machen“, ging der Hagere dazwischen, dann wurde aus der gedämpften Stimme ein zischendes Flüstern.
Nelli war ratlos.
Moment mal!
Wenn die mit der anderen Tür beschäftigt waren, dann standen sie mit dem Rücken zu ihrer Tür. Vielleicht konnte sie die Gelegenheit für einen Ausbruch nutzen.
„Nelli, jetzt sagen Sie mal was dazu!“
Das war es dann mit dem Ausbruch. Jetzt standen sie vor ihrer Tür. Nellis Herz pochte. Verdammter Durst. Verdammte Angst. Verdammte Ratlosigkeit!
„Nelli?“
„Ja.“
„Sie haben doch Schmackes. Jetzt beweisen Sie das mal und kommen Sie heraus zu uns.“
Nelli räusperte sich.
„Warum sollte ich?“
„Na, um die zwei anderen zur Vernunft zu bringen.“
„Ich weiß ja gar nicht, was überhaupt los ist.“
„Sie wissen nicht, was los ist? Das kann ich Ihnen sagen: Ihr Töchterchen hat es fertiggebracht, dem drei-Zentner-Nussschalenhirn, mit dem ich als Partner gestraft bin, den Schlüssel für oben aus der Tasche zu ziehen, nachdem sie ihm einen Schwinger versetzt hatte.“
„Halt dein Maul, Mensch!“
„Ist doch wahr!“
„Trotzdem.“
Draußen wurde gerangelt. Die waren wie Kinder. Zwei Deppen ohne Plan. Warum nahm sie die überhaupt ernst?
Weil sie unberechenbar waren. Hilflos und zugleich brutal, so linkisch wie link.
„Und dann?“, fragte Nelli laut und bestimmend.
„Und dann ist sie samt dem Schlüssel zurück in euren bisherigen Keller, hat auch den Schlüssel zu der Tür mit rein und sich eingesperrt. Und wir hocken jetzt in der Falle, können nicht rein zu euch aber auch nicht nach oben und weg.“
„Das bedeutet für euch aber genauso, dass ihr nicht weg könnt, so lange wir vor eurer Tür hocken“, krakeelte der andere dazwischen.
„Das kann sie sich ja denken.“
„Warum kommt sie dann nicht raus?“
„Genau darum geht es ja.“
„Wenn ich raus komme, nützt es euch auch nichts“, rief Nelli
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