In eisigen Kerkern (German Edition)
riskierst ein Menschenleben, um dich mal auszuquatschen?!“
„Nicht nur. Es geht um viel mehr.“
„Um was?“
Andi lächelte und deutete mit der Hand zur Tür.
„Bitte geh voraus. Na los, geh schon!“
Sie resignierte, trat von dem zweiten Badetuch herunter, hob es auf, ging damit zur Tür und hinaus in den Lagerraum.
„Hier links bitte“, dirigierte Andi.
„Links?“
„Dahinter ist ein Durchgang.“
Sie lugte zwischen die mannshoch gespalten Kisten und Kartons, sah eine angelehnte Tür und schlüpfte hindurch. Der Raum dahinter kam ihr vor wie eine Mischung aus Bibliothek und Museum. Bücherregale ragten links und rechts an den Wänden empor.
In einer Glasvitrine waren allerlei Gegenstände angeordnet, die offenbar einen hohen persönlichen Wert hatten: verblichene Dokumente und Landkarten, ein Blechnapf mit Kochgeschirr, eine Art Vermessungsgerät, ein Bergsteigerseil und diverser Kleinkram, den Nelli nicht einordnen konnte.
„Mein Studierzimmer“, erklärte Andi nicht ohne Stolz. „Nimm bitte Platz.“
Beim Hinsetzen sah Nelli irgendwas Rundes, Schwarzes unter ihrem Stuhl, aber hielt es nicht für wichtig.
Sie schaute sich um. Ihrem Platz gegenüber stand ein Schreibtisch mitten im Raum, darauf dominierend ein Kerzenständer mit fünf brennenden Kerzen, die einzige Lichtquelle im Raum, und dahinter ein lederner Schreibtisch-Drehstuhl.
Darüber an der Wand hing ein gerahmter Zeitschriften-Artikel. Nelli meinte, das Spiegel-Layout zu erkennen. Um was es in dem Artikel ging und warum er so wichtig war, gerahmt hinter den Schreibtisch gehängt zu werden, darauf gab es keinen Hinweis.
Daneben, genau gegenüber vom Lagerraum, aus dem Nelli eingetreten war, lag eine weitere Tür, die vermutlich zum Gaststätten-Eingangsbereich führte – vielleicht die Tür mit dem „Privat“-Schild, durch die Andi am Vormittag herausgeplatzt war, als die Bauarbeiter Nelli ihre Hilfe angeboten hatten.
Wäre sie doch nur mit ihnen weggefahren und hätte auf ihre Sachen verzichtet. Noch nie hatte sich Nelli so sehr danach gesehnt, die Uhr zurückdrehen zu können.
„Hier, fang auf!“
Andi war auf die andere Seite des Schreibtisches getreten, hatte aus einer Schublade eine Jeans gezogen und ihr zugeworfen. Es war eine von ihren eigenen. Sofort stand sie auf, zog die Hose an und wartete auf weitere Kleidungsstücke.
„Setz dich wieder hin“, bat Andi sanft.
„Kann ich nicht auch Socken, Schuhe und ein Sweatshirt haben?“
„Ja, aber das hab ich woanders. Bitte Platz nehmen.“
Widerwillig setzte sie sich wieder hin. Andi kam auf sie zu und kniete sich vor sie hin. Sofort zog sie das Badetuch, das sie sich um den Oberkörper geschlungen hatte, weiter hoch und fester zusammen.
Nelli begriff zu spät, dass sie den falschen Bereich geschützt hatte. Irgendwas ging an ihrem Fuß vor sich. Es war, als würde sich eine kalte Klammer um ihr linkes Gelenk schließen. Ehe sie das Bein wegziehen konnte, klickte es, und sie hing irgendwo fest.
Sofort geriet sie in Panik, sprang auf und wäre fast der Länge nach hingeschlagen, weil der Schwung, mit dem sie ihren linken Fuß mit Gewalt befreien wollte, sie nach vorne riss.
„Was soll das denn jetzt!“
Andi drückte sich aus der Hocke hoch und ging zurück um den Schreibtisch herum. Demonstrativ legte er seinen schweren Schlüsselbund neben sich auf der Schreibtischfläche ab.
„Eine reine Vorsichtsmaßnahme.“
Nelli schaute nach unten und konnte nicht fassen, was sie da sah. Er hatte eine eiserne Fußfessel mit Kette um ihr Gelenk geschlossen und mit einem Vorhängeschloss versperrt. An der Kette hing eine Eisenkugel in der Größe eines Fußballs, die sich nicht bewegen ließ, so sehr sie auch daran zog.
„Wiegt ungefähr 30 Kilo“, sagte Andi und sah sie zufrieden an. „Ist eigentlich eines meiner Museumsstücke. Die Passstraße wurde von Sträflingen gebaut, weißt du. Mich interessiert einfach alles aus dieser Zeit. Der Revolver, schau...“
Aus einer Schublade zog er den schweren Colt, mit dem er sie bedroht und niedergeschlagen hatte.
„Geht leider nicht mehr, aber das sieht man ihm nicht an. Du hast dich auch täuschen lassen, gell?“
Er grinste, als sei ihm ein netter kleiner Gag gelungen. Als sie nicht darauf reagierte, legte er den Revolver zurück und holte aus einer anderen Schublade ein paar Socken, reichte sie ihr und schaute interessiert zu, wie sie mit den Füßen hineinschlüpfte.
„Zieh den Sockenrand unter der Fessel
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