In eisigen Kerkern (German Edition)
Riegel auf und schleuderte das Mehl auf Kopfhöhe in den Baderaum.
Andi stand tatsächlich an der Tür, und wie geplant, bekam er das Mehl ins Gesicht. Sie wollte seine Blindheit nutzen, um ihn in die Wanne zu stoßen und kampfunfähig zu machen, doch er packte sie an beiden Handgelenken, drückte sie gegen die Wand und presste sich so gegen ihre Beine, dass sie sich auch nicht mit einem Tritt befreien konnte. Aus seinem Mehlgesicht starrten sie zwei weit geöffnete Augen an. Er zwinkerte nicht mal.
„So was funktioniert nur in Filmen, Nelli.“
Er drückte sich noch fester an sie. Die rissige Steinmauer an ihrem Rücken strahlte Kälte in ihren unterkühlten Körper. Ihr Zittern wurde durch sein Gewicht zusammengestaucht, sie bekam das Gefühl, zu ersticken. Seine ausgeprägten Tränensäcke zeichneten sich durch das Mehl wie ein zweites, geschlossenes Augenpaar ab.
„Also, komm schon ... bringen ... wir’s hinter uns.“
„Was meinst du?“
„Ist doch ... klar, was ... du willst.“
Er verringerte den Druck, ließ ihre Handgelenke los und schüttelte den Kopf.
„Ach, Nelli, wenn’s nur das wäre... Das hätte ich mir doch längst holen können.“
„Was ... denn dann?“
Er trat zurück, wischte sich das Mehl aus dem Gesicht, nahm eine Handvoll Wasser aus der Wanne zu Hilfe, hob eines der Badetücher auf, trocknete sich das Gesicht ab und schaute Nelli an.
„Du solltest dich auch erst mal abtrocknen.“
Er warf ihr das Badetuch zu.
Es gelang ihr nicht, es zu fangen. Zitternd und ohne ihn aus den Augen zu lassen bückte sie sich. Er zog derweil sein Hemd mit den nassen Ärmeln aus.
„Na gut, Karten auf den Tisch“, sagte er in einem Ton als folge nun ein umfangreicher Einsatzbefehl.
Nelli trocknete sich zögerlich die Haare ab und umschlang ihren Körper mit dem Badetuch.
„Kann ich ... Schuhe haben? Der Boden ist ... eiskalt.“
Ihre Zähne schlugen aufeinander. Sie hatte das Gefühl, als hätte das Zittern jetzt ihre inneren Organe erfasst.
„Ich weiß, Nelli, aber einen Moment musst du noch warten. Die Sache läuft so: Wir fangen noch mal ganz von vorne an, aber zu meinen Bedingungen. Wenn du ab jetzt auf Fluchtversuche verzichtest, mich nicht mehr angreifst und alles tust, was ich sage, dann hast du eine Chance, die Nacht zu überleben. Alles klar?“
„O...kay.“
Sie bückte sich, um sich das andere Badetuch zu holen, und er ließ sie gewähren. Zweimal gefaltet, legte sie es auf den Boden und stellte sich darauf. Eine Wohltat für ihre eiskalten Füße.
„Ich bin kein Unmensch, Nelli, das ganze hätte nie so eskalieren müssen. Als ich dich da gestern Abend vor deinem Zelt sitzen sah, dachte ich, mit der müsste es toll sein, sich mal auszuquatschen, das ist bestimmt eine Seelenverwandte. Mehr wollte ich wirklich nicht. Es ist einfach alles schief gelaufen, angefangen mit deinem Sturz.“
„Moment mal...!“
Nelli bekam das Zittern langsam unter Kontrolle. Nur ihr Rücken war noch schmerzhaft verspannt.
„Du hast mich ... gestern schon beobachtet?“
„Nicht beobachtet, nur gesehen. Vom Motorrad aus. Ich fahre jeden Abend ein bisschen durch die Gegend. Du warst mit dem Rücken zur Straße und hast nicht hergeschaut. Hast geschrieben, bestimmt in dein Tagebuch.“
Nelli bekam eine Gänsehaut, die nichts mit der Kälte zu tun hatte.
„Und du wolltest dich ... mit mir ausquatschen?“
„Hmhm. Dich näher kennenlernen und so. Ich wusste nur nicht, wie ich es anstellen sollte. Einfach anhalten gestern Abend, das hätte nicht geklappt. Du wärst dir überfallen vorgekommen, stimmt’s?“
„Aber dem Zufall wolltest du es auch nicht überlassen.“
„Man muss dem Zufall nachhelfen, sag ich immer.“
Andi grinste verschwörerisch.
„Du hast ganz richtig vermutet, dass ich am nächsten Tag an deinem Gasthaus nicht anhalten würde.“
„Stimmt genau. Warum solltest du gleich nach dem Frühstück noch mal einkehren?“
„Also hast du dich nachts angeschlichen, um mich zum Einkehren zu zwingen. Wie hast du es gemacht?“
„Ich kenn mich aus mit Zweirädern, Nelli.“
„Hast du die Lenkung manipuliert?“
Er schüttelte den Kopf und grinste noch breiter.
„Meine Tricks verrat ich doch nicht. Das ist wie bei einem Zauberkünstler.“
„Ich hätte tot sein können!“
„Tja, mag sein. Weißt du, das klingt jetzt vielleicht hart, aber ob du an meinem Lokal vorbeifährst oder bei dem Sturz draufgehst, wäre aus meiner Sicht egal gewesen.“
„Du
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