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In eisigen Kerkern (German Edition)

In eisigen Kerkern (German Edition)

Titel: In eisigen Kerkern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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könntest du auch mal was sagen! Hab ich dich neugierig gemacht?“
    „Na ja.“
    Nelli räusperte sich.
    „Auf jeden Fall. Das klingt geheimnisvoll und spannend, irgendwie sehr verlockend, aber das mit dem Sterben meinst du doch sicher symbolisch, oder?“
    Andis Begeisterung war verklungen, während sie gesprochen hatte. Sein Blick wurde missbilligend.
    Tipptipptipp - Klappklappklapp.
    „Was ich meine“, beeilte Nelli sich hinzuzufügen und straffte sich auf ihrem Stuhl, „um ein Projekt zu beurteilen, egal, was es ist, sollte man auch was über die Vorgeschichte wissen. Du willst ja sicher nicht nur Lobeshymnen, sondern eine fundierte Betrachtung, kein Hurrahurra, sondern...“
    „Schon klar. Du musst mich nicht voll labern.“
    Er hörte auf zu trommeln. Nach einigen Sekunden ging es wieder los.
    Tipptipptipp – Klappklappklapp.
    Andi seufzte, stand auf und trat hinter seinen Drehstuhl.
    „Jede große Idee wurzelt in mehreren kleinen Einfällen, die sich plötzlich – Heureka...“
    Er schaute sie listig an, ob sie die Anspielung begriff. Nelli lächelte und nickte, und Andi nickte zufrieden zurück.
    „Heureka in Eureka.“
    Er schloss die Augen, grinste beseligt und wiegte den Kopf. Nelli starrte auf die Kerzen. Außer Reichweite. Und sie war angekettet.
    „Ich vertraue dir jetzt wirklich mein Innerstes an, Nelli. Ich hoffe, du erweist dich dieses Vertrauens als würdig.“
    Von den Kerzen schaute sie hoch zu seinem Gesicht. Er hatte die Augen noch geschlossen, aber es kam ihr so vor, als könne er sie durch die geschlossenen Lider hindurch sehen.
    „Deine Geheimnisse sind bei mir sicher, Andi“, sagte sie leise.
    Er grinste übers ganze Gesicht.
    „Ohne Zweifel, ganz ohne Zweifel.“
    Andi öffnete die Augen, und sein Grinsen erschlaffte so langsam und kontrolliert als würde es gedimmt.
    „Nun gut, bei mir waren es drei Begebenheiten, die jede für sich viele Einfälle nach sich zogen und schließlich vor fünf Jahren zu der ganz großen Idee verschmolzen. Plötzlich machte alles einen Sinn. Kennst du Johann Peter Hebel?“
    „Den Dichter?“, fragte Nelli vorsichtig. An Andis Blick sah sie, dass sie etwas für ihn sehr Wichtiges richtig beantwortet hatte.
    „Ja, den Dichter. Seine kleine Geschichte vom Unverhofften Wiedersehen rührt mich heute noch zutiefst, sie hat alles in mir angestoßen, sie hat...“
    Er starrte ins Leere, holte Luft, seine Wangen röteten sich.
    „Ich war ja noch ein Kind damals. Es muss wohl Intuition gewesen sein, eine tiefe Bereitschaft für das Thema, eine Art Vorahnung auf mein Schicksal, jedenfalls... – kennst du die Geschichte überhaupt?“
    Mit großen Augen richtete er den Blick erwartungsvoll auf Nelli.
    „Ja, klar“, antwortete sie sofort und hoffte, mit dieser Lüge keinen Fehler zu machen.
    „Das ist schön. Du bist wirklich die richtige. Dein Tod wird wunderschön sein, gar nicht schmerzvoll, und dir ewige Jugend und Schönheit schenken.“
     
    Er rieb sich die Augen.
    Erst dachte sie, er weine über seine pathetische Prophezeiung. Aber sein breites Gähnen, das dem Augenreiben folgte, ernüchterte sie.
    „Verdammt, ich muss sehen, dass ich Schlaf bekomme.“
    Er zog eine goldene Taschenuhr aus seiner Jeanstasche, klappte sie auf und schnaubte, als er das Zifferblatt sah.
    „Fast halb zwei. Tut mir leid, wir haben keine Zeit mehr für die Vorgeschichte.“
    Er steckte die Uhr wieder ein und schob den Drehstuhl an den Schreibtisch.
    „Aber die Vorgeschichte ist wichtig für mich, Andi. Die Zeit sollten wir uns nehmen.“
    „Das geht auch unterwegs.“
    „Und wann soll ich dir meine Geschichte erzählen?“
    Er nahm den Schlüsselbund vom Schreibtisch und kam zu ihr herum.
    „Die lese ich, wenn alles vorbei ist. Ich hab ja dein Tagebuch.“
    Nelli schauderte. Sie stellte sich vor, wie er bei Kerzenlicht an seinem Schreibtisch hockte und jeden Abend genussvoll in ihrem Tagebuch las, während sie selbst in einer Felsspalte vermoderte.
    „Also nach allem, was du mir verraten hast“, sagte sie und hielt sich dabei an den Armlehnen des Stuhls fest, „ist das heute für uns ein ganz besonderer Abend. Wir sollten nichts überstürzen.“
    Er baute sich breitbeinig einen Meter vor ihr auf, suchte unter seinen Schlüsseln den richtigen für ihr Fußkettenschloss heraus und antwortete ohne sie anzuschauen:
    „Das sehe ich genauso. Aber ich hab nun mal ein Geschäft zu führen, und deine Fluchtversuche haben uns viel Zeit gekostet. Außerdem bin ich

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