In eisigen Kerkern (German Edition)
zögerte aber und suchte den Blick der Reporterin.
Die beiden saßen in Fiona Herolders Büro, allein und ohne Interesse irgendwelcher hoher Tiere des Verlages. Nelli hatte sich ursprünglich deshalb nicht in der Redaktion treffen wollen, weil sie an ein Großraumbüro und gaffende Blicke gedacht hatte.
Dieses Zimmerchen aber war genau das Gegenteil. Vom Zigarettenrauch abgesehen, fühlte sie sich sogar wohl in dem nett eingerichteten Raum, in dem nur der PC an ein Büro erinnerte. Ansonsten: ein Wiesenblumenstrauß neben dem Bildschirm, kleine Glasfigürchen, Kaffeekanne aus edlem Porzellan... Das alles passte so gar nicht zum Military-Style der Herolder, die an diesem Tag zu ihrer Heeresmütze auch noch ein T-Shirt mit grünbraunen Tarnflecken trug, dazu einen schwarzen, engen Rock.
Nelli schob den Vertrag ein Stück zur Seite und suchte im Gesicht der Frau gegenüber nach irgendeinem Grund, ihre Unterschrift nicht zu leisten. Was sie sah, war geduldige Freundlichkeit und eine qualmende Zigarette. Die Herolder zwinkerte, aber das kam wahrscheinlich vom Rauch.
„Was wissen Sie eigentlich über meine Reise und das, was mir am Gletscher passiert ist?“
„Nicht viel. Sonst bräuchte es diesen Vertrag hier nicht.“
„Wieso?“
„Weil die Story dann längst im Blatt gewesen wäre.“
„Heißt das, Sie hätten einfach so irgendwas geschrieben, ohne mit mir zu sprechen, wenn Sie von dritter Seite nur genug Fakten geliefert bekommen hätten.“
„Klar. Solange es keinen Ansatz für eine Persönlichkeitsrechtsklage gibt.“
„Aber wenn jetzt das, was ich zu erzählen habe, Ihre Leser gar nicht interessiert?“
„Ich verpacke das schon interessant genug.“
„Und wenn nicht mal das hilft?“
Die Herolder lächelte wissend.
„Ich habe aus zuverlässiger Quelle die Gewähr, dass Ihre Story über die Maßen gut ist. Ich bin richtig heiß drauf, Baby.“
Nelli verzog angewidert den Mund und verkniff sich eine Frage nach diesen ominösen Quellen. Sie rückte ihren Stuhl zurecht.
„Worauf ich hinauswill: Wenn wider Erwarten doch alles in die Grütze geht – muss ich dann das Geld zurückzahlen?“
„Die Story IST gut.“
„Steht da irgendwas drin zu dem Thema?“
Nelli tippte auf den Vertrag.
„Was?“
„Irgendein Rücktrittsrecht Ihrerseits?“
Die Herolder spitzte die Lippen, räusperte sich und murmelte: „Sie geben einfach keine Ruhe, wie? Vertragspunkt 7, Absatz 11, irgendwo da.“
Nelli suchte mit dem Finger die Stelle und las leise: „Bleiben die Verkaufszahlen hinter den Erwartungen zurück (Steigerungsraten kleiner gleich fünf Prozent), dann obliegt es dem Verlag, die Serie und alle fortlaufend damit verbundenen Zahlungen einzustellen.“
Nelli schaute hoch.
„Ist doch nur fair“, meinte die Herolder zwinkernd.
„Also, Moment mal... – heißt das, ich bekomme das Geld gar nicht auf einmal?“
Die Reporterin schüttelte den Kopf, griff nach ihrer Zigarettenpackung und tat überrascht.
„Natürlich nicht. Wir kaufen doch nicht die Katze im Sack.“
„Wie sind die Konditionen?“
„Sie können doch lesen, oder?“
„Ich will’s von Ihnen hören.“
„Zehn Teile sind geplant. Für jeden erschienen Teil gibt es 10.000, den Rest bei erfolgreichem Abschluss.“
„Will heißen?“
„Wenn der letzte Teil auf dem Markt ist und es sich für den Verlag gelohnt hat, bekommen Sie den vereinbarten Betrag.“
Nelli zögerte.
„Soll ich Ihnen den Vertrag vielleicht Wort für Wort vorlesen“, fragte die Herolder spöttisch. „Oder wollen Sie einen Rechtsexperten hinzuziehen?“
„Schon gut.“
Mit schnellen, eckigen Handbewegungen unterschrieb Nelli die beiden Kopien des Vertrages. Die Herolder hatte die Augen geschlossen gehabt, griff aber sofort als Nelli fertig war über den Tisch, schnappte sich ihre Kopie, legte sie in ein Schubfach, drehte den Schlüssel um, zog ihn ab und steckte ihn in ihre Handtasche. Sie wirkte so erleichtert und überschwänglich begeistert, dass Nelli erstaunt lächelte und fragte:
„Was war denn das für ne Show?“
„Das, Schätzchen, war der Deal meines Lebens. Aber jetzt an die Arbeit.“
Sie holte ein Diktiergerät aus einem Schubfach, stellte es vor Nelli hin und drückte die Aufnahmetaste. Nelli betätigte umgehend die Stopptaste.
„Was ist hier los?“
„Nix ist los. Sie haben einen Vertrag unterschrieben. Jetzt geht es darum, ihn zu erfüllen.“
„Sie verschweigen mir doch was?“
„Verschweigen ist Teil meines
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